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Helmholtz-Perspektiven 0215

12 TITELTHEMA „Wir können der Natur bei der Arbeit zuschauen“ Der Mikrobiologe Hauke Harms im Gespräch über die neuen Möglichkeiten der Bakterienforschung – und über die Frage, wie Bakterien sogar verseuchte Landstriche reinigen können F R I S C H E S G RU N DWA S S E R DA N K BA K T E R I E N Der wissenschaftliche Name der nur ein bis zwei tau- sendstel Millimeter großen Bakterien ist Aquincola tertia- ricarbonis. Der UFZ-Mikrobiologe Thore Rohwerder hat die Winzlinge vor mehr als zehn Jahren in Grundwasserproben auf der Fläche der ehemaligen Leuna-Werke gefunden. Das Bakterium hat einen perfekten Stoffwechsel geschaffen, um MTBE mithilfe von Sauerstoff zu Kohlendioxid abzubau- en. Es hat sich genetisch hervorragend an die schwierigen Umweltbedingungen angepasst. Millionen dieser Bakterien verwerten in den Filter- und Gra- bensystemen die Schadstoffe (Bild rechts). Das scheinbar einfache naturnahe Verfahren ist ein Ergebnis langwieri- ger Forschung, denn das Bakterium ließ sich nur schwer isolieren. Anschließend haben die Biotechnologen Manfred van Afferden und Roland Müller die insgesamt 20 Schritte zum Abbau der Schadstoffe entschlüsselt und die idealen Lebensbedingungen der Bakterien nachgestellt. Anhand dieser Erkenntnisse konnten die Forscher dann das Kon- zept für die großtechnische Anlage entwickeln. Herr Professor Harms, seit mehr als zwei Jahrzehnten erforschen Sie Bakterien. Was hat Ihr Fach in dieser Zeit am meisten vorangebracht? Ganz klar: Dass man heute mit Sequenzierrobotern ganze Konsortien von Bakterien und ihre Funktionsnetzwerke unter- suchen kann. Das hat unserer Forschung den entscheidenden Schub gegeben. Wann war das? Es begann gegen Ende der 1990er-Jahre. Vorher konnten wir nur einzelne Organismen isoliert anschauen. Dabei entgingen uns wesentliche Informationen darüber, wie Bakterien zusam- menwirken: wie beispielsweise ihre Nahrungsketten aussehen, wie ihre Kooperation im Detail funktioniert und wer wem aus dem Weg geht. All das lässt sich heute genau erkennen – wir können der Natur sozusagen bei der Arbeit zuschauen. Das klingt faszinierend. Aber ist es auch nützlich? Ja, zum Beispiel beim mikrobiellen Abbau von Schadstoffen. Wie schaffen Bakterien das? Ein gutes Beispiel ist der Umweltschadstoff Methyltertiär- butylether (MTBE). Das ist ein Kohlenwasserstoff, der als Antiklopfmittel im Benzin eingesetzt wird und bei Havarien ins Grundwasser gelangen kann. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten haben bestimmte Bakterien die Fähigkeit erworben, den Stoff zu knacken. Sie werden derzeit zum Beispiel mit Erfolg bei einer Sanierung am Chemiestandort Leuna in Sachsen-Anhalt eingesetzt. Woran erkennen Sie nach einer solchen Sanierung, dass die Schadstoffe auch wirklich beseitigt sind? Das geschieht klassischerweise durch chemische Analy- sen. Aber auch hier lassen sich spezialisierte Bakterien nutzen. Die Umweltmikrobiologie kann die Diagnostik so- gar erheblich vereinfachen. Wir müssen heute zum Beispiel kein schweres Gerät mehr nach Bangladesch schaffen, um den Arsengehalt des Grundwassers zu ermitteln – ein Laborkoffer genügt.

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