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Helmholtz-Perspektiven

Helmholtz-Perspektiven Juli – August 2013 18 forschung aber keine Entwarnung: „Unsere Auen sind be- lastet, und es werden nach wie vor Schadstoffe eingetragen.“ Auf die Auen entlang der Wasserläufe richten Meißner und seine Kollegen ihre besondere Auf- merksamkeit. Sie haben eine wichtige Funktion: Schad- und Nährstoffe filtern sie aus dem Wasser heraus und halten sie im Boden zurück – und das in gewaltigen Mengen. Laut einer 2013 veröffent- lichten Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und des UFZ halten die untersuchten großen Flussauen jedes Jahr 42.000 Tonnen Stickstoff und 1.200 Tonnen Phosphor zurück, wenn das Wasser über die Ufer tritt. Außerdem speichern die heutigen Überflutungsauen schätzungsweise 157 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Bei Überflutun- gen dienen die Auen vor allem als Rückhalteraum, in dem sich das überfließende Wasser ausbreiten kann. Das Problem ist nur: Es gibt immer weniger Auen. Rund 70 Prozent der ursprünglichen Überschwem- mungsgebiete in Deutschland mussten den Men- schen weichen. „Es galt einmal als Errungenschaft“, sagt Mathias Scholz, Auenexperte am UFZ in Leipzig, „die flussnahen Flächen zu entwässern und sie für den Ackerbau zu nutzen.“ Die immer näher rückenden Deiche allerdings zwängen die Flüsse in ein enges Korsett, künstliche Begradigungen erhöhen die Fließgeschwindigkeit. Einen sicheren Schutz bieten die Deiche deshalb nicht mehr, wie sich gerade wieder beim Hochwasser gezeigt hat. „Eine Lösung ist es, die Deiche zurückzuverlegen und damit Auenflächen wiederzugewinnen“, sagt Mathias Scholz. So wie in der Nähe von Roßlau in Sachsen-Anhalt: Dort gibt es neben dem Fluss wieder die komplette Aue, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte immer weiter zurückgedrängt worden war. Deich- rückverlegung nennen Experten das Vorgehen: Die Deiche nah am Wasser werden geöffnet und, falls nötig, weiter im Landesinneren neu gebaut. Der Effekt hat sich in Roßlau beim jüngsten Hochwasser eindrucksvoll gezeigt: Die wiederhergestellte Aue kann 3,6 Millionen Kubikmeter Wasser speichern und so Überflutungen in der Umgebung verhindern. „Eine funktionierende Aue bringt Leistungen, die durchaus auch wirtschaftlich interessant sind.“ Mathias Scholz Ein derartiges Projekt braucht allerdings viel Zeit. Ganze fünfzehn Jahre dauerte in Roßlau allein die Vorbereitung. Am schwierigsten sind bei solchen Vorhaben die Verhandlungen mit den Landwirten, die ihre Flächen meist intensiv bewirtschaften und nur selten verkaufen wollen. Einen Deich zu verlegen kostet deshalb etwa zwei bis drei Millionen Euro pro Kilometer Deich. Der Aufwand aber lohnt sich. „Eine funktionierende Aue bringt Leistungen, die durchaus auch wirtschaftlich interessant sind“, sagt Mathias Scholz. Er hat dabei vor allem im Blick, dass Häuser in der Umgebung hochwassersicherer werden. Bis zu 300 Milliarden Euro an Vermögens- werten werden allein durch die untersuchten Auen geschützt, heißt es in der Studie von UFZ und BfN. Bis ein Auwald allerdings wieder vollständig entwi- ckelt ist, vergehen ungefähr hundert Jahre. „Wichtig ist dabei eine wissenschaftliche Begleitung“, sagt Forscher Mathias Scholz – vor allem wegen der langen Renaturierungsphase.„Unsere Feldforschung hilft dabei, künftige Projekte zu Erfolgen zu ma- chen“, sagt er. „Dieses Ziel erreichen wir aber nur, wenn wir lange Datenreihen zur Verfügung haben.“ Die Wiederentdeckung der Auen ist aber nicht die einzige Möglichkeit, um Überschwemmungskata- strophen zu verhindern. Die Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung schlagen nach der verheerenden Flut vom Juni drei weitere Maßnahmen vor, die zumindest die Folgen abmil- dern können: Neben dem technischen Hochwasser- schutz mit Deichen und Rückhaltebecken ist es die Detektivarbeit Ralph Meißner (rechts) schaut mit Kollegen unter die Erde. Bild: UFZ

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