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Helmholtz Perspektiven 1411

18 Helmholtz Perspektiven November – Dezember 2014 FORSCHUNG ein Thema vorgegeben für die Woche, und wir mussten uns vorbereiten. Dann fragte er: „Herr Kollege oder Frau Kollegin, können Sie sich mal hinstellen, an die Tafel und das mal eben anmalen?“ Das war schon ein bisschen wie Prüfung. Rosenbaum So etwas gab es zu meiner Promotionszeit in Grenoble nicht. Dafür aber am Max-Delbrück-Centrum, wo ich jetzt bin. Einmal die Woche stellt jemand den Fortschritt seiner Arbeit vor. Wittmann Aber das ist heute auf das enge Feld der eigenen Forschung be- schränkt. Keiner ist mehr so ein Allround- er, dass er die ganze Biologie beherrscht, die ganze Medizin oder Chemie. Rosenbaum Wir versuchen schon auch, über den Tellerrand hinauszuschauen. Wir haben ein zweites Seminar, da muss immer jemand eine Veröffentlichung vorstellen, die nicht direkt mit unserem Thema zu tun hat. Ganz fachfremd ist das natürlich auch nicht, es geht da meistens um Molekular- biologie, Biochemie oder Biophysik. Wie haben Sie Ihre Promotion finan- ziert, Frau Wittmann? Wittmann Gott sei Dank hatte ich einen sehr verständnisvollen Vater. Es gab ja keine Stipendien, nur im letzten Jahr des Promotionsstudiums bekam ich 100 Mark im Monat. Dass meine Mutter auch Chemie studiert und 1924 promoviert hatte, hat sicherlich geholfen. Ich war schon 29, als ich mit der Promotion fertig war. Meine Eltern haben mir in all der Zeit geholfen, obwohl wir vier Kinder waren. Ich habe mir aber auch was dazu verdient. Rosenbaum An der Uni? Wittmann Wo denken Sie hin, für Frauen ging das nicht! Ich bin zum TOTO gegangen und habe Lottoscheine ausge- wertet. Reihe für Reihe, Zahl für Zahl, mit einer Schablone. Am Abend war man wie in der Klapsmühle. Rosenbaum Für mich war es normal, dass wir alle eine Promotionsstelle hatten. In Frankreich hatte ich ein Stipendium vom Forschungsministerium und eine klei- ne Lehrtätigkeit an der Uni. Das war auch nicht üppig, aber wenn man vorher ein Studentenbudget hatte, dann kam einem das viel vor. Frau Rosenbaum, Sie sind schon im Masterstudium nach Frankreich gegan- gen. Ist heute Internationalität wichtiger als früher? Rosenbaum Wenn man in der Wis- senschaft Karriere machen will, muss man früh gehen. Dieses Dogma finde ich eigentlich zu extrem. Natürlich ist es wichtig, dass die Leute mal das Labor wechseln, aber das könnten sie theore- tisch auch innerhalb Deutschlands. Die Realität aber sieht so aus: Wenn man sich irgendwo bewirbt und nicht mindestens zwei, drei Jahre im Ausland war, dann ist man raus. Frau Wittmann, bevor Sie ans Max- Delbrück-Centrum wechselten, waren Sie 30 Jahre lang in der Max-Planck- Gesellschaft. Wittmann Ja, aber da war Glück dabei. Bei der Assistentenstelle, die ich in Mün- chen während der Promotion hatte, wurde mir gleich gesagt, als Frau hätte ich keine Chancen, länger als zwei Jahre zu bleiben. Eigentlich wollte ich dann nach Amerika gehen, aber schließlich kam die Heirat dazwischen und ich bin an das Institut meines Mannes gegangen. War es üblich, dass man am Institut des Mannes unterkam? Wittmann Natürlich nicht. Wir lernten uns kennen, weil wir auf demselben Gebiet arbeiteten. Mein Mann wurde zu uns nach München geschickt, um unsere Methoden zu lernen. Ich war diejenige, die ihm zeig- te, wie man mit Proteinen umgeht. Und dann hat es sich so ergeben, dass wir im- mer weiter miteinander gearbeitet haben. Gab es nach Ihrer Hochzeit von irgend- woher Druck, jetzt sollten Sie doch bitte zu Hause bleiben? Wittmann Nein. Ich durfte sogar bezahlt arbeiten, was wichtig war, weil ich Kinder bekam und mein Geld für die Kinderbetreuerin brauchte. Als später einer unserer Gruppenleiter auf eine Pro- fessur nach Belgien berufen wurde und mich vier seiner Doktoranden fragten, ob ich sie nicht übernehmen wolle, habe ich gesagt: „Ich habe einen Säugling zu Hause, wie soll ich das schaffen?“ Am Ende habe ich es doch gemacht und alle durchgekriegt. Aber das war eigent- lich nicht gewollt: Ich hatte immer nur eine einfache Mitarbeiterstelle, wie ein Postdoc. Offiziell war ich Gruppenleiterin, aber nicht der Bezahlung nach. Rosenbaum Eine Gruppenleiterstelle ist auch mein nächstes Ziel. Eine Postdoc- Stelle zu finden ist heute eigentlich kein Problem, da gibt es unglaublich viele. Das sind aber alles befristete Stellen. Und über uns allen hängt das Wissenschafts- zeitvertragsgesetz, das besagt, dass nach zwölf Jahren befristeter Tätigkeit Schluss ist. Wer es bis dahin nicht auf eine feste Stelle geschafft hat, ist draußen. Was heißt für Sie „eine feste Stelle“? Rosenbaum Eine Professur. Sonst gibt es fast nichts Unbefristetes. Einer Statis- tik zufolge schaffen es drei Prozent von allen Promovierenden auf eine Professur, von den Postdocs zehn Prozent. Das heißt, wir Postdocs haben ein 90-Prozent- Risiko, dass es nicht klappt. Wittmann In anderen Ländern gehört man zum Institut oder zur Universität und ist dort fest angestellt – und kann immer wieder auf neue Aufgabengebiete oder in neue Projekte wechseln. Wäre denn eine Gruppenleitung etwas, womit Sie auf Dauer zufrieden wären, Frau Rosenbaum? Oder wird man so gepolt, dass es immer weiter nach oben gehen muss? Rosenbaum Genau das frage ich mich zurzeit: was mir wirklich wichtig ist. Ich stehe unheimlich gern im Labor. Mein Chef dagegen beschäftigt sich fast nur

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