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Helmholtz Perspektiven Jan 2015

23stAnDPunKte Helmholtz Perspektiven Januar – Februar 2016 stAnDPunst „Bevor Autos autonom auf unseren Straßen fahren, haben wir juristische und ethische Fragen zu klären“, sagt Eric Hilgendorf, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg Diskutieren Sie zum Thema unter: www.helmholtz.de/ blickwinkel A ngenommen, Sie fahren in einem technisch hochgerüsteten, mit einem Kollisions-Ver- meide-Assistenten versehenen Fahrzeug auf einer Landstraße, und plötzlich springen vor Ihnen drei Kinder aus dem Gebüsch auf die Straße. Ein Mensch könnte in einer solchen Situation nicht mehr willensgesteuert reagieren, doch der mit leistungsfä- higen Sensoren und hoher Rechenkapazität ausge- stattete Bordassistent steuert den Wagen blitzschnell nach rechts. Dadurch geht dort zwar ein Straßenpfos- ten zu Bruch, doch die Kinder bleiben unverletzt. Eine solche Reaktion des Fahrzeugs würde in unserem Kulturkreis sowohl ethisch wie recht- lich positiv eingestuft. Denn wir bewerten damit das Leben von Menschen höher als die Erhaltung einer Sache, hier also des Straßenpfostens. Moral und Recht folgen in der Auseinandersetzung mit Notstandsituationen dem Prinzip des kleineren Übels. Doch im Straßenverkehr sind leider nicht alle Situationen so einfach zu entscheiden – und wenn es darum geht, für autonome Fahrzeuge Handlungswei- sen zu programmieren, stellt uns das vor unzählige Problemfälle. Was soll zum Beispiel gelten, wenn mehrere Leben gegen ein Leben stehen, wenn also etwa das Leben der drei Kinder nur dadurch gerettet wer- den kann, dass der Wagen nach rechts ausschert und dort einen Fußgänger überfährt? Die deutsche Rechtsprechung steht bisher auf dem Standpunkt, dass das Prinzip des kleineren Übels hier nicht gelten soll. Die Tötung eines Unschuldigen kann also nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie das einzige Mittel ist, um eine größere Zahl anderer Unschuldiger zu retten. Diese Haltung wird häufig auf die Formel gebracht, Menschenleben seien nicht quantifizierbar. Doch ist Unrecht gleich Unrecht? Kann es uns wirklich gleichgültig sein, ob eine oder drei Perso- nen getötet werden? Müssen wir eine Abstufung im Unrecht treffen, wenn wir die Algorithmen für Not- standsituationen programmieren? Wir werden wohl nicht umhinkommen, dies zu tun. Es bleibt Unrecht, einen Unschuldigen zu töten. Aber ist es nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich vorzugswürdig, so wenige Unschuldige zu töten wie möglich? Zwingt uns der technische Fortschritt, Menschenleben doch zu quantifizieren? Bevor Autos autonom auf unseren Straßen fahren, haben wir einige wichtige juristische und ethische Grundlagenfragen zu klären. 

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