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Raumfahrt

Klassenfahrt ins Weltall

Bild: DLR FOTOMEDIEN

Passend zur ISS-Mission des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst ging das DLR mit einer Raumfahrt-Show auf bundesweite Tournee. Das Ziel: Schülerinnen und Schüler neugierig machen auf die Naturwissenschaften. 

Die 1.000 Kinder im Audimax der TU Berlin waren auf einmal völlig still. Gebannt blickten sie auf die Leinwand vorne im Saal, auf der sich jeden Moment das Bild aus dem Weltall aufbauen sollte: eine Liveübertragung von der Internationalen Raumstation ISS. "Hallo Berlin", tönte es dann auf einmal aus den Lautsprechern, "I hear you loud and clear!" Die Schüler jubeln: Astronaut Alexander Gerst winkt, schwerelos schwebend, in den Saal.

Die besondere Verbindung von Berlin ins Weltall war Teil eines Programms, mit dem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf Tournee durch ganz Deutschland unterwegs war: "Raumfahrt-Show" hieß es und nahm die Teilnehmer eineinhalb Stunden lang mit Bühnenexperimenten und Videos mit auf eine Gedankenreise ins All. Darin tauchen sie ins Astronautenleben ein – vom Raketenstart über das Leben und Forschen in der Schwerelosigkeit bis zur Rückkehr auf die Erde. Zielgruppe waren Schüler von der dritten bis zur sechsten Klasse. "Unseren Nachwuchs für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern, ist eine Aufgabe, der sich das DLR verpflichtet sieht und für deren Umsetzung sich die Mission horizons von Alexander Gerst besonders eignet", sagt Pascale Ehrenfreund, die Vorstandsvorsitzende des DLR.

Insgesamt kamen 22.000 Schüler zu den Veranstaltungen, die den ganzen Herbst stattfanden.

Wie attraktiv das Thema Raumfahrt wirkt, merkten die Veranstalter vom DLR schon innerhalb der ersten Tage: Als sie das Programm konzipierten, dachten sie an zehn Veranstaltungsorte überall in Deutschland – aber schon wenige Tage nach der Veröffentlichung ihrer Idee stapelten sich auf ihren Tischen die Bewerbungen von 500 Schulen. Kurzentschlossen verdoppelte das DLR die Zahl der Aufführungen und ging in die größten Hörsäle und Stadthallen. Insgesamt kamen 22.000 Schüler zu den Veranstaltungen, die den ganzen Herbst über stattfanden.

Cem Avsar erklärt anhand eines Fußballs, wie nah die ISS der Erde ist. Bilder: DLR FOTOMEDIEN

Im Berliner Audimax dauerte das Bühnenprogramm 90 Minuten, bis sich Alexander Gerst per Videokonferenz live dazuschaltete – genauso lang, wie die ISS für eine Umkreisung der Erde benötigt. Ein kleiner Roboter eröffnete die Veranstaltung und bat die eigentlichen Moderatoren auf die Bühne: Cem Avsar von der TU Berlin sowie Tobias Bohnhardt und Saskia Felgenhauer aus dem DLR_School_Lab Berlin – einem von 13 Schülerlaboren des DLR. Wie sich die Faszination der Forschung an Kinder vermitteln lässt, wissen sie aus langjähriger Erfahrung: An den insgesamt 30 Helmholtz-Schülerlaboren in ganz Deutschland experimentieren jedes Jahr mehr als 90.000 Schüler aller Altersklassen – von Grundschülern bis zu Abiturienten. Die Betreuer helfen den Jugendlichen, naturwissenschaftliche Theorien aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen Bereichen besser zu verstehen, selbst Fragen zu stellen und Versuche wie ein echter Forscher durchzuführen.

Das stand auch im Audimax in Berlin auf dem Programm: Zwischen Filmen und Fotos aus dem All führten die Moderatoren immer wieder aufwendige Experimente vor, die im Stil einer Science-Show auch komplizierte physikalische Effekte verständlich machten. Mal schwebten Schokolinsen im Inneren einer Fallkapsel schwerelos umher, was auf der Großbildleinwand in Zeitlupe zu sehen war, mal flog eine leuchtende Luftrakete mit lautem Knall über die Bühne – und auch die Schüler im Saal durften an vielen Stellen mitmachen. Etwa beim Ausflug quer durchs Sonnensystem: Große Leuchtkugeln symbolisierten die acht Planeten und wurden von den Kindern durch die Stuhlreihen gereicht. Eher rasant verlief dagegen die Lektion zum Thema Rückstoßprinzip, als 1.000 Luftballons gleichzeitig durch den Raum zischten. 

Alexander Gerst zeigt die Zeitkapsel, die erst im Jahre 2068 wieder geöffnet wird und Wünsche von 8.000 Kindern für die Welt von morgen enthält. Bilder: DLR FOTOMEDIEN

Dann leitete ESA-Astronaut Matthias Maurer von der Bühne zum Livecall mit seinem Kollegen Alexander Gerst auf der ISS über. Der grüßte bestens gelaunt aus dem All zurück. In seinen Händen hielt er dabei ein ganz außergewöhnliches Objekt: die Zeitkapsel des DLR, die ihn auf seiner langen Reise durchs Weltall begleitet. Die Aluminiumkugel stammt von DLR-Auszubildenden, die sie eigens angefertigt haben. Sie beinhaltet unter anderem einen besonders haltbaren Datenträger, auf dem die Wünsche der jungen Generation für die Zukunft gespeichert sind. 8.000 Schüler waren dem Aufruf des DLR gefolgt und hatten ihre Beiträge eingesandt: technologische Visionen etwa von fliegenden Autos oder Mondkolonien, aber auch gesellschaftspolitische Forderungen für eine Welt mit mehr Respekt und Toleranz sowie ohne Kriege und Gewalt. "Mehr Fröhlichkeit in der Welt", verlangt da ein Kind, und ein Schülerteam fordert: "Keine Diskriminierung wegen Hautfarbe, sexueller Orientierung oder aus anderen Gründen." Diese Botschaften sind gewissermaßen ein Gruß der jungen Generation von heute an die Welt von morgen. Denn erst in 50 Jahren darf die Kapsel, die nach der Rückkehr im Haus der Geschichte in Bonn aufbewahrt wird, wieder geöffnet werden. Gerst versiegelte die Zeitkapsel feierlich und plauderte dann mit den Kindern und Jugendlichen im Berliner Audimax. "Ich finde es toll, dass ihr euch Gedanken über die Zukunft macht", sagte er: "Wenn die Kapsel in 50 Jahren wieder geöffnet wird – das wird der Moment sein, in dem sich jeder fragen muss: Haben wir in unserem Leben an diesen Wünschen gearbeitet? Diese Kugel hier macht einem immer wieder klar, dass es gut ist, seinen Träumen eine Chance zu geben."

Ergänzt wurde das Programm durch Musik-Acts mit Raumfahrtbezug. Peter Schilling präsentierte seinen Welthit "Major Tom (Völlig losgelöst)", der auch als Soundtrack im DLR-Trailer zur Gerst-Mission zu hören ist. Und auch die Mitglieder der Berliner Newcomer-Band Yuri & Neil sind bekennende Raumfahrtfans, wobei der Name ihrer Gruppe Programm ist: Mit der Anspielung auf Juri Gagarin und Neil Armstrong wollen sie den völkerverbindenden, internationalen Aspekt der Raumfahrt betonen.

Das DLR begleitete die Gerst-Mission mit vielen weiteren Maßnahmen zur Nachwuchsförderung. Bei einem Schulwettbewerb engagierten sich Jugendliche als Beschützer der Erde, indem sie Projekte zum Umweltschutz entwickelten. "Flying Classroom" heißt eine Serie von einfachen Demoexperimenten, mit denen Gerst physikalische Phänomene in Schwerelosigkeit altersgerecht illustriert. Zahlreiche Schulen konnten sogar per Amateurfunk mit Gerst Kontakt aufnehmen. 

Hinzu kamen Unterrichtsmaterialien wie die Experimentierbroschüre "Mit Astronauten ins Weltall" zur aktuellen ISS-Mission, wobei die hohe Startauflage von 5.000 Exemplaren schon nach wenigen Wochen vergriffen war, sodass die Hefte schleunigst nachgedruckt wurden. Und die Lehrer-Workshops, die in manchen DLR-Schülerlaboren angeboten wurden, mussten wegen der großen Anmeldezahlen gleich mehrfach abgehalten werden. 

Die Live-Schaltung zur ISS war die Besonderheit der Berliner Veranstaltung – aber auch jede einzelne der Raumfahrt-Shows überall in Deutschland hatte ihre speziellen Momente. Beispielsweise in Erfurt, wo es zu einem außergewöhnlichen Finale der Tournee kam: In einem Stadion stellten sich 1.400 Schüler in Buchstabenform auf dem Rasen auf. So bildeten sie den Schriftzug "HALLO ALEX" als Gruß, der nur aus der Vogelperspektive zu sehen war. Gerst bedankte sich am Tag darauf via Twitter mit Grüßen von der Raumstation.

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