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Seltene Erden

Auf Elemente-Jagd

Europium Metall. Bild: Materials Preparation Center

Zu den Schlüsselressourcen im digitalen Zeitalter zählen die sogenannten seltenen Erdelemente. Die Nachfrage nach ihnen steigt rasant. Forscher erkunden deshalb unterschiedlichste Wege, um die Versorgung sicherzustellen – von ausgeklügelten Bergbau-Erkundungsverfahren bis zum Recycling.

Den neuen Begriff prägten Franziska Lederer und ihre Kollegen, als sie schon eine ganze Weile mit der komplizierten Technik arbeiteten: "Bio-Angeln" nannten sie das Verfahren, mit dem sie schon bald die Rohstoffsuche revolutionieren könnten. "Bei dieser Methode geht es im Grunde darum, gezielt ein bestimmtes Material aus einem Partikelgemisch herauszufischen. Als Angel nutzt man Proteine, an die sich das gesuchte Material anlagert", erklärt die Molekularbiologin. Mit dieser Technik sollten ursprünglich Antikörper für Krebszellen isoliert werden – "aber eigentlich", überlegte Franziska Lederer, "müsste sich das Prinzip doch auch einsetzen lassen, um seltene Erden zu recyceln".

„Seltene Erden sind gar nicht so selten, sie verstecken sich nur gut in der Natur.“

Franziska Lederer leitet am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) die Nachwuchsgruppe "BioKollekt" und sucht mit ihren Kollegen nach Möglichkeiten, um die insgesamt 17 Elemente der seltenen Erden aus weggeworfenem Material wiederzugewinnen. Bislang gibt es für diese Elemente noch keine wirtschaftlich sinnvolle Recyclingmethode. Das sogenannte Phage Surface Display, für das sie später den Namen Bio-Angel prägte, erschien Lederer als hoffnungsvoller Weg. Um alles über die neuartige Technik zu lernen, machte sie sich im Jahr 2015 auf den Weg nach Kanada, wo die Pioniere sitzen, die die Methode erstmals für anorganisches Material verwendet hatten.

"Seit der Seltene-Erden-Krise rund um das Jahr 2011 sind diese Materialien viel stärker in den Blickpunkt gerückt", sagt Jens Gutzmer. Der Geologe ist Direktor des HIF, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf gehört, und einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet in Deutschland. In der Krise explodierten die Preise für die wertvollen Rohstoffe, die die Grundlage für fast alle Zukunftstechnologien bilden: Motoren von Elektroautos, hocheffiziente Generatoren von Windkraftanlagen, Plasmabildschirme und Leuchtdioden – überall dort spielen Metalle der seltenen Erden eine Schlüsselrolle. "Dabei ist der Begriff eigentlich unglücklich gewählt", sagt Jens Gutzmer, „denn die seltenen Erden sind gar nicht so selten, sie verstecken sich nur gut in der Natur.“ In aufwendigen Trennverfahren müssen sie aus Erzen gelöst werden, was fast ausschließlich in China geschieht. Und weil weltweit die Nachfrage nach den kostbaren Elementen immer weiter ansteigt (siehe Kasten), suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, auf die absehbare Verknappung des Rohstoffs und auf die steigenden Preise zu reagieren. "Im Wesentlichen gibt es drei Wege", urteilt Jens Gutzmer: "Erstens könnte man die primäre Rohstoffproduktion steigern, zweitens stärker auf Recycling setzen und drittens versuchen, die seltenen Erden durch andere Materialien zu ersetzen." 

Marktführer China In der ostchinesischen Hafenstadt Lianyungang wird Sand, in dem seltene Erden enthalten sind, für den Export verladen. Der Abbau und die Verarbeitung der wertvollen Rohstoffe finden zu 80 Prozent in China statt. Bild: dpa

Forscher vom Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ arbeiten daran, das Auffinden von Lagerstätten effizienter zu gestalten. Sie suchen dabei nach Methoden, wie sich die wertvollen Rohstoffe schneller charakterisieren lassen als durch komplizierte Probebohrungen. "Wir entwickeln dafür verschiedene Verfahren, mit denen wir aus Hyperspektraldaten die Materialzusammensetzung der Erdoberfläche analysieren können", sagt Christian Mielke, der im Forschungsbereich Fernerkundung am GFZ arbeitet. Als Grundlage dienen Aufnahmen, die etwa von Satelliten und Flugzeugen aus oder auch aus dem Nahbereich gemacht werden: Die Forscher untersuchen dabei die Strahlung, die von der Objektoberfläche zum Sensor zurückgeworfen wird. "Weil jedes Mineral und jedes Element einen eindeutigen spektralen Fingerabdruck hat, lassen sich die Verfahren weltweit einsetzen", sagt Mielke. Innerhalb weniger Tage stehen im Idealfall verlässliche Ergebnisse zur Verfügung.

"Unser Ziel ist es, den Bergbau zu unterstützen, damit die Rohstoffnutzung vom ersten Moment an umweltfreundlich und effizient möglich ist."

Am GFZ gibt es, ähnlich wie auch am HIF, eine Reihe von Projekten, die sich mit diesen Fernerkundungsverfahren beschäftigen. Eins von ihnen – Reemap – hat gezielt die Suche nach seltenen Erden zur Aufgabe. Das von den Wissenschaftlern entwickelte Verfahren ist hochflexibel: Es funktioniert in nahezu allen potenziellen Testgebieten beliebiger Größe – und dient nicht nur zur Charakterisierung von Metallen der seltenen Erden, sondern auch von deren Begleitmineralen. "Unser Ziel ist es", sagt Christian Mielke, "den Bergbau zu unterstützen, damit die Rohstoffnutzung vom ersten Moment an umweltfreundlich und effizient möglich ist." Der zweite Weg, dem Engpass bei den begehrten Materialien zu entgehen, ist das Recycling – jenes Feld, auf dem die Molekularbiologin Franziska Lederer mit ihren Bio-Angeln forscht. Für ihr Verfahren nutzt sie Bakteriophagen, das sind auf Bakterien spezialisierte Viren. An sie werden Bruchstücke von Proteinen – sogenannte Peptide – gekoppelt.

"Die Peptide können kleine Taschen formen, in die bestimmte Mini-Strukturen passen", erklärt Franziska Lederer, zum Beispiel eben ein Element der seltenen Erden. Wenn man die Bakteriophagen mit einem Partikelgemisch mischt, das verschiedene seltene Erden enthält, lassen sich einzelne Komponenten gezielt angeln. 

Im Bild ist eine an der Luft oxidierte und mit gelbem Europium(II)-carbonat überzogene Europiumscheibe zu sehen. Dieses Element wird in Plasmabildschirmen, Energiesparlampen und Euro-Banknoten (Fluoreszenz gegen Fälschungen) verwendet. Mit ihren Bio-Angeln hat Franziska Lederer eine Methode entwickelt, seltene Elemente wie Europium aus Energiesparlampen wiederzugewinnen. Bild: Wikipedia/alchemist-hp (CC-BY-SA 3.0)

Lederer forscht mit einer Milliarde Bakteriophagen, an die jeweils unterschiedliche Peptide gekoppelt sind. In aufwendigen Versuchen findet sie heraus, mit welchen Peptiden sich welches Material am besten angeln lässt. "Mit dieser Methode können wir spezifische Peptide gewinnen, mit denen wir unterschiedliche seltene Erden, aber auch gering konzentrierte Metalle wie Kupfer- oder Goldpartikel aus komplexen Gemischen isolieren können", erläutert Lederer. 

"Die Technologie, um das Recycling mit unserer Methode im industriellen Maßstab durchzuführen, wird im Horizont von zehn Jahren verfügbar sein."

Derzeit forscht sie mit Leuchtpulver von Energiesparlampen, in dem vor allem die seltenen Erdelemente wie Terbium und Europium enthalten sind. "Bis zum Jahr 2020 dürften allein in der Europäischen Union etwa 25.000 Tonnen Leuchtpulver aus ausgedienten Energiesparlampen gesammelt werden", sagt die Molekularbiologin – weil darin diese Elemente nur in geringer Konzentration vorkommen, lässt sich dieser Schatz an Rohstoffen bislang nicht wirtschaftlich heben. "Die Technologie, um das Recycling mit unserer Methode im industriellen Maßstab durchzuführen, wird im Horizont von zehn Jahren verfügbar sein", schätzt Lederer.

Der dritte Weg, mit der Knappheit von Metallen der seltenen Erden umzugehen, wäre es, sie durch andere Materialien zu ersetzen – oder Produkte zu entwickeln, die weniger der kostbaren Rohstoffe benötigen. Auch hieran arbeiten Forscher; bei der Substitution liegt ein besonderes Augenmerk oft auf dem Dysprosium, das besonders selten vorkommt.

Franziska Lederer sucht mit ihrem Team nach Möglichkeiten, seltene Erden aus weggeworfenem Material wiederzugewinnen. Bild: André Wirsig/HZDR

"Wir haben kein Verfügbarkeitsproblem, sondern ein Marktproblem."

Die Frage nach dem Umgang mit den kostbaren Materialien treibt allerdings nicht nur Wissenschaftler oder Firmenchefs um, sondern immer öfter auch Politiker: "China hat den Markt monopolisiert", sagt HIF-Direktor Jens Gutzmer – vom Bergbau bis zur Verarbeitung der Erze finden alle Schritte fast nur dort statt. Weltweit seien deshalb alle Firmen, die mit den seltenen Erdelementen arbeiten, von China abhängig. "Wir haben kein Verfügbarkeitsproblem", urteilt Gutzmer, "sondern ein Marktproblem."

Während es in der Geologie seit 170 Jahren eine eigene Disziplin gebe, die sich darum kümmere, neue Lagerstätten mineralischer Rohstoffe zu erkunden, gebe es bei den Metallen der seltenen Erden bisher nur sehr schlecht entwickelte wissenschaftliche Konzepte zur Erkundung. "Das ist Terra incognita", sagt Gutzmer – und zumindest für ihn als Wissenschaftler ist die Aussicht fazinierend, dass hier noch viel zu machen ist: "Dass ich so etwas als Lagerstättenkundler nochmals erlebe", sagt er, "damit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet!"

Bild: Frank Rumpenhorst/dpa

Seltene Erdelemente

Die Metalle der seltenen Erden gelten als Schlüssel zu zahlreichen Zukunftstechnologien: Die 17 Elemente wie Scandium, Yttrium, Lanthan, Neodym oder Terbium kommen in Akkus und Bildschirmen zum Einsatz, aber auch in Dauermagneten, wie sie für die Generatoren in Elektromotoren benötigt werden. 

Bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt man, dass China mit einem Marktanteil von mehr als 80 Prozent die weltweite Produktion von seltenen Erden dominiert. "Umfangreiche Regulierungsmaßnahmen der chinesischen Regierung leiteten (…) einen strukturellen Wandel des Sektors ein, dessen internationale Auswirkungen auch den deutschen Markt betreffen", heißt es dort in einem Papier. 

Die Ressourcen lagern allerdings in vielen Ländern der Welt, sie werden nur in den meisten Fällen nicht genutzt. Der Bedarf an den Metallen der seltenen Erden wird nach Expertenmeinungen in den kommenden Jahren deutlich steigen; in manchen Schätzungen ist von jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen Prozentbereich die Rede.

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