Helmholtz Monthly 05/25
 
 
 
Otmar D. Wiestler trifft EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
 
Wissenschaftliche Datensätze aus den USA gesichert
 
Erstmals Struktur von flüssigem Kohlenstoff gemessen
 
Drei Fragen an die Physikerin Atoosa Meseck
 
„Wissenschaft kennt keine Grenzen – und das ist gut so“ – ein Standpunkt von Jan S. Hesthaven
 
Serie zum Quantenjahr #05: Quantenmaterialien mit ʼnem Dreh
 
 
 
 
Liebe Leserinnen und Leser,
 
 
 

Helmholtz wird 30 Jahre alt und wir stellen die Erfolge der Gemeinschaft in 30 Stories vor. Eine davon handelt von der gelungenen Zusammenarbeit mit Universitäten, die sich auch im erfolgreichen Ergebnis der Exzellenzstrategie zeigt: Helmholtz-Zentren sind in der kommenden Förderperiode an 32 Clustern beteiligt. Aber auch jenseits dieser Leuchttürme erleben wir Durchbrüche. Einem Team unter Leitung der Universität Rostock und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf gelang erstmals die Untersuchung von flüssigem Kohlenstoff, der unter anderem eine wichtige Rolle für Zukunftstechnologien wie die Kernfusion spielt. Und: Jan S. Hesthaven betont im Standpunkt, dass wir für solche Errungenschaften eine freie Wissenschaft über Grenzen hinweg brauchen, und erklärt, wie er das KIT noch internationaler aufstellen möchte.

Viel Spaß beim Lesen!

 
 
Sebastian Grote, Head of Communication
 
 
 
 
Talk of the Month
 
 
 
Otmar D. Wiestler trifft EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
 
  Der Helmholtz-Präsident wird am 4. Juni mit anderen G6-Präsident:innen, Europaabgeordneten und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die Bedeutung von Forschung und Innovation für die Zukunft Europas diskutieren. Das Treffen findet zu einem sehr passenden Zeitpunkt statt: Ursula von der Leyen stellt seit Beginn ihrer zweiten Amtszeit als Kommissionspräsidentin wiederholt die Forschung in den Mittelpunkt und unterstreicht, dass sie die Triebfeder der europäischen Wirtschaft sei. Große Beachtung fanden ihre Aussagen bei der jährlichen Budget-Konferenz, in denen sie das aktuelle Programm „Horizon Europe“ als eigenständige Marke abgrenzte – was vielfach positiv aufgenommen wurde. Inwieweit dies politisch umgesetzt wird, wird sich im Sommer zeigen: Dann wird der EU-Kommissionsvorschlag für den nächsten sogenannten „mehrjährigen Finanzrahmen“ erwartet. Der Finanzrahmen konkretisiert auch, wie die Forschung im EU-Haushalt und innerhalb des Europäischen Wettbewerbsfonds gewichtet wird.
 
20 Jahre Pakt für Forschung und Innovation
 
  Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern blicken zusammen mit den beteiligten Forschungsorganisationen auf zwei erfolgreiche Jahrzehnte Pakt für Forschung und Innovation (PFI) zurück. Der Pakt hat die Basis für eine dynamische und zukunftsorientierte Forschungslandschaft gelegt – und ist bis heute ein zentraler Motor für Innovation, Zusammenarbeit und für die Rekrutierung der besten Talente. Er trägt entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts Deutschland bei. Ab 2026 geht der Pakt mit neuen Zielsetzungen bis 2030 weiter. Helmholtz bringt sich mit seinen Stärken ein – der interdisziplinären Spitzenforschung an großen Herausforderungen in unseren Forschungsbereichen und innovativen Querschnittsthemen wie angewandter KI und Data Science.
 
KIT erfolgreich im Wettbewerb um Exzellenzcluster
 
  Die Forschungsuniversität der Helmholtz-Gemeinschaft ist im Finale der Förderlinie „Exzellenzcluster“ mit zwei Clustern erfolgreich und hat damit gute Chancen weiter den Titel Exzellenzuniversität tragen zu dürfen. Die zwei vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eingereichten Cluster „Post Lithium Storage“ (POLiS) und „3D Matter Made to Order“ (3DMM2O) werden jeweils für sieben Jahre mit bis zu 70 Millionen Euro gefördert. Insgesamt sind die Helmholtz-Zentren in der kommenden Förderperiode an 32 Clustern beteiligt. Helmholtz unterstützt die Exzellenzstrategie durch diese Kooperationen mit Universitäten, insbesondere bei der Umsetzung gemeinsamer Forschungsstrategien im Rahmen von Exzellenzclustern. Die Unterstützung erfolgt finanziell, personell und strukturell – unter anderem über das Instrument der Helmholtz-Exzellenznetzwerke. Seit 2016 wurden diese Partnerschaften zum beiderseitigen Nutzen mit einem Fördervolumen von 36 Millionen Euro unterstützt. Diese Vielfalt zeigt die enge Vernetzung der Zentren mit der universitären Spitzenforschung in Deutschland.  
 
 
 
 
 
 
 
 
Helmholtz wird 30
 
 
 
 
 
 
 

Seit Mai erzählen wir unter dem Motto „30 Jahre – 30 Stories“ bewegende und inspirierende Geschichten aus drei Helmholtz-Jahrzehnten und posten täglich eine Story zusammen mit unseren Zentren auf Social Media. Helmholtz-Stories entdecken 

 
 
 
Ausschreibungen
 
 
 
 
Helmholtz Imaging Projects – Call 2025
 

Ziel der Ausschreibung ist es, Aktivitäten zu initiieren und zu fördern, die sich mit Herausforderungen und Methoden der Bildgebung in verschiedenen Helmholtz-Forschungsbereichen und -Zentren befassen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung innovativer Ansätze, die die Verarbeitung von Bilddaten vom Sensor bis zur Veröffentlichung wesentlich voranbringen. Bewerbungsschluss ist der 30. Juli 2025. Jetzt bewerben 

 
 
 
Aus der Gemeinschaft
 
 
 
KI-Servicezentren auf der re:publica 2025
 
  Die vier vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) geförderten KI-Servicezentren unterstützen Wirtschaft und Wissenschaft bei KI-Vorhaben, etwa durch Zugang zu Rechenleistung und Beratung. Das Forschungszentrum Jülich ist maßgeblich an einem der Zentren, WestAI, beteiligt. Die Initiativen präsentierten sich auch auf der re:publica 2025. Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft war auch dieses Jahr das dominierende Thema auf Europas größter Konferenz zum Zustand und zur Zukunft der digitalen Gesellschaft. Helmholtz greift die Ansätze der KI-Servicezentren zur Öffnung von Rechnerkapazitäten für Unternehmen auf und weitet sie mit eigenen Investitionen auf deutlich mehr Standorte aus: Die Helmholtz-Initiative HPC Gateway stellt Rechenkapazitäten an etablierten Helmholtz-Strukturen für Unternehmen zur Verfügung und vermittelt KI-Expertise – und sorgt damit für einen deutschlandweit noch breiteren Zugang zu High-Performance-Computern und KI-basierter Lösungsunterstützung.
 
Wissenschaftliche Datensätze aus den USA gesichert
 
  Die Universität Bremen hat gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) über ihre Datenplattform PANGAEA erste wissenschaftliche Datensätze aus den USA gesichert. Hintergrund sind drohende Budgetkürzungen unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump, welche den Verlust wertvoller Klima- und Umweltdaten zur Folge haben könnten. Die Kooperation mit der US-Behörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) – der Wetter- und Ozeanografiebehörde – konzentriert sich zunächst auf historische Datensätze zu Erdbeben und heißen Quellen.
 
BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
 
  Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) haben ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Gründung des Berlin Battery Lab unterzeichnet. Das Labor wird die Expertise der drei Institutionen bündeln, um die Entwicklung nachhaltiger Batterietechnologien voranzutreiben. Die gemeinsame Forschungsinfrastruktur soll auch der Industrie für wegweisende Projekte in diesem Bereich offenstehen.
 
 
 
 
Forschung
 
 
 
 
 
Bild: HZDR/M. Künsting
 
 
 
 
Erstmals Struktur von flüssigem Kohlenstoff gemessen
 
 
 
 
Einer internationalen Forschungskollaboration unter Leitung der Universität Rostock und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) gelang erstmals die Untersuchung von flüssigem Kohlenstoff. Möglich war dieses bahnbrechende Experiment am European XFEL, dem weltweit größten Röntgenlaser.
 

Flüssiger Kohlenstoff kommt zum Beispiel im Inneren von Planeten vor und spielt eine wichtige Rolle für Zukunftstechnologien wie die Kernfusion. Bisher war allerdings nur sehr wenig über Kohlenstoff in flüssiger Form bekannt, denn im Labor war dieser Zustand praktisch nicht fassbar: Bei Normaldruck schmilzt Kohlenstoff nicht, sondern geht direkt in einen gasförmigen Zustand über. Erst unter extremem Druck und bei Temperaturen von etwa 4.500 Grad Celsius – dem höchsten Schmelzpunkt eines Materials überhaupt – wird Kohlenstoff flüssig. Kein Behälter würde dem standhalten.

Laserkompression hingegen kann festen Kohlenstoff für Bruchteile von Sekunden verflüssigen. Diese Sekundenbruchteile gilt es für Messungen zu nutzen. Am European XFEL in Schenefeld bei Hamburg, dem weltgrößten Röntgenlaser mit seinen ultrakurzen Pulsen, ist dies heute in bisher unvorstellbarer Weise möglich. Im Experiment treiben die hochenergetischen Pulse des Lasers Kompressionswellen durch eine feste Kohlenstoffprobe und verflüssigen das Material für Nanosekunden, also für den milliardstel Teil einer Sekunde. Innerhalb dieser Nanosekunde wird die Probe mit einem ultrakurzen Röntgenlaserblitz des European XFEL beschossen. Die Atome im Kohlenstoff lenken das Röntgenlicht ab – ähnlich wie Licht an Gittern gebeugt wird. Das Beugungsmuster erlaubt Rückschlüsse auf die momentane Anordnung der Atome im flüssigen Kohlenstoff. Ein Experiment dauert zwar nur ein paar Sekunden, wird aber vielfach wiederholt: Jedes Mal mit einem leicht zeitversetzten Röntgenpuls oder unter leicht veränderten Druck- und Temperaturbedingungen. Aus vielen Schnappschüssen entsteht schließlich ein Film. So konnten die Forscher:innen den Übergang zwischen fester und flüssiger Phase Schritt für Schritt nachvollziehen.

Die Messungen ergaben: Mit je vier nächsten Nachbarn folgt flüssiger Kohlenstoff einer ähnlichen Systematik wie fester Diamant. „Das ist das erste Mal überhaupt, dass wir die Struktur von flüssigem Kohlenstoff experimentell beobachten konnten. Unser Experiment bestätigt Vorhersagen aus aufwendigen Simulationen von flüssigem Kohlenstoff. Es handelt sich eher um eine komplexe Form einer Flüssigkeit, ähnlich wie Wasser, das auch ganz besondere strukturelle Eigenschaften besitzt“, erklärt der Leiter der „Carbon Working Group“ innerhalb der Forschungskollaboration, Dominik Kraus von der Universität Rostock und dem HZDR.

Auch den Schmelzpunkt konnten die Forscher:innen genau eingrenzen. Bislang wichen die theoretischen Vorhersagen für Struktur und Schmelzpunkt stark voneinander ab. Ihre genaue Kenntnis ist aber entscheidend für Planetenmodelle und bestimmte Konzepte zur Energiegewinnung durch Kernfusion.

Erstmals Struktur von flüssigem Kohlenstoff gemessen (HZDR)

 
Außerdem:
 

Bestimmte kindliche Hirntumoren entstehen bereits früh in hochspezialisierten Nervenzellen
Medulloblastome, bestimmte Hirntumoren bei Kindern, entstehen vermutlich bereits zwischen dem ersten Trimester der Schwangerschaft und dem Ende des ersten Lebensjahres. Das haben Forschende am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) jetzt in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht. Sie analysierten in Tumorproben die genetischen Veränderungen jeder einzelnen Krebszelle, um zu rekonstruieren, welche genetischen Veränderungen bei der Tumorentstehung als erste auftreten und wann. Mehr lesen

Erfolgreiche Experimente bei GSI/FAIR enthüllen neue Insel der asymmetrischen Kernspaltung
Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen hat einen unerwarteten Bereich schwerer, neutronenarmer Isotope in der Nuklidkarte identifiziert, in dem die Kernspaltung überwiegend durch einen asymmetrischen Modus bestimmt wird. Das Forschungsergebnis dient dem besseren Verständnis der Prozesse, durch die schwere Elemente im Universum entstehen. Es bildet einen wichtigen Schritt bei der Weiterentwicklung unserer theoretischen Vorstellungen zur Kernspaltung wie zur Kernfusion. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht. Mehr lesen

 
 
 
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Atoosa Meseck ist Physikerin am Helmholtz-Zentrum Berlin und Professorin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Mit ihrem Team entwickelt sie Konzepte und Magnetsysteme, um Licht für Experimente an Beschleunigeranlagen zu erzeugen. Dabei lässt sie sich gern von der Physik überraschen.

 
 
Was ist das Spannendste an Ihrem Job?
 

Ich arbeite mit einem Team von 15 Kolleginnen und Kollegen an sogenannten Undulatoren – das sind Schlüsselkomponenten für Synchrotronstrahlungsquellen. In diesen Anlagen werden Elektronen fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Unsere Magnetsysteme bringen sie auf einen Slalomkurs, wodurch sie Energie in Form von Licht abgeben: die Synchrotronstrahlung. Dieses spezielle Licht nutzen Forschende weltweit für ihre Experimente – etwa zur Entwicklung neuer Batterien oder Katalysatoren. Die Undulatoren entwickeln und fertigen wir selbst, oft als maßgeschneiderte Einzelstücke. Wir liefern sie auch an andere internationale Forschungszentren und ermöglichen damit spannende Forschung.

Bei meiner Arbeit geht es um die Wechselwirkungen von Materie und Licht. Am meisten fasziniert mich, wenn wir feststellen, dass sich die Physik anders verhält als erwartet. Wir nehmen nichts als selbstverständlich hin – und genau diese Überraschungen treiben mich als Wissenschaftlerin an.

 
Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden: Was wäre Ihr nächstes Projekt?
 

Ich denke oft an ein Thema aus meiner Habilitationszeit zurück: Tarnkappen und Metamaterialien. Der Brechungsindex der Materialien kann so manipuliert werden, dass mit Metamaterialien beschichtete Objekte scheinbar unsichtbar werden. Ich glaube, sie könnten noch viel mehr leisten. Zum Beispiel könnten wir damit neuartige Optiken für unsere Strahlrohre entwickeln. Aktuell leiten wir das in Beschleunigern erzeugte Licht nacheinander zu verschiedenen Experimenten. Mit Metamaterialien ließe sich das Licht womöglich gleichzeitig auf mehrere Experimente verteilen – das wäre viel effizienter als heute und der Lichtstrahl würde besser genutzt! Solche Ansätze auszuprobieren, reizt mich sehr. Auch unsere Nachfolgequelle BESSY III könnte davon profitieren.

 
Mit wem würden Sie gerne mal zu Abend essen und worüber würden Sie dann sprechen?
 

Ich würde mich gern mit Joschka Fischer unterhalten – über die Verantwortung der Wissenschaft, besonders bei potenziell militärisch nutzbarer Forschung. Wo endet die Verantwortung der Forschenden, wo beginnt die der Politik? Fischer hat als Politiker erlebt, dass man die eigenen Ideale immer wieder mit der politischen Realität abgleichen muss. Ein Gespräch mit ihm wäre sicher sehr aufschlussreich.

 
 
 
Standpunkt
 
 
 
 
 
Jan S. Hesthaven ist seit Oktober 2024 Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Der gebürtige Däne war, nach Stationen an der Danmarks Tekniske Universitet (DTU) in Kopenhagen und an der Brown University in den USA, zuletzt Provost und Vizepräsident an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz. Bild: Markus Breig, KIT
 
 
 
 
„Wissenschaft kennt keine Grenzen – und das ist gut so“
 
 
 
 
Der Ruf nach nationalen Grenzen wird zunehmend lauter. Doch gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen ist es wichtig, an einer internationalen Wissenschaft festzuhalten – und mehr noch: sie als Mittel zur Völkerverständigung zu nutzen. Ein Standpunkt von Jan S. Hesthaven.
 

Der freie Austausch von Ideen und die grenzüberschreitende Begegnung von Menschen sind der Motor von Wissenschaft. Wenn das durch politische Ideologien behindert wird, ist mehr in Gefahr als nur einzelne Forschungsprojekte. In den USA – bis vor Kurzem der Ort wissenschaftlicher Offenheit – beobachten wir zunehmende Einschränkungen: Forschungen zu Klima, Gender oder öffentlicher Gesundheit werden politisiert, Budgets gekürzt, Kooperationen infrage gestellt. Wissenschaft wird vereinnahmt – oder sogar bekämpft.

Doch Wissenschaftsfreiheit ist nicht nur ein Wert, sondern auch eine Notwendigkeit – auch und gerade in Zeiten globaler Spannungen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit sichert wissenschaftliche Qualität und die Resilienz der Gesellschaft weltweit, denken wir etwa an die großen Herausforderungen unserer Zeit wie den Klimawandel oder die Pandemievorsorge. Selbst während des Kalten Krieges, eines Tiefpunkts des politischen Dialogs, war ein wissenschaftlicher Austausch zwischen den Nationen weitgehend möglich. Diese Tradition fortzusetzen, ist kein Widerspruch zur institutionellen Neutralität, sondern Ausdruck eines klaren Selbstverständnisses: Wissenschaft bleibt gesprächsbereit – auch und gerade mit schwierigen Partnern.

Dazu braucht es Strategien: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat in diesem Sinne ein klares Zeichen gesetzt. Mit der Berufung eines Dänen zum Präsidenten, mit vorherigen beruflichen Stationen in der Schweiz und den USA, hat sich das KIT bewusst dafür entschieden, sich international aufzustellen. Dieses Vertrauen ehrt mich – und spricht für eine bemerkenswerte Offenheit.

Doch diese Offenheit ist auch ein Anspruch an uns selbst. Denn gleichzeitig wissen wir: Das KIT ist auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel. Als Student in Dänemark habe ich früh erlebt, wie sehr internationale Netzwerke den wissenschaftlichen Fortschritt kleiner Länder prägen. Diese Erfahrung begleitet mich bis heute. Internationale Exzellenz entsteht nicht allein durch Kooperationen, sondern durch ein Umfeld, das Talente aus aller Welt willkommen heißt – und sie hält. Wir müssen auch unsere Studierenden und Mitarbeitenden aus Deutschland so ausbilden, dass sie global anschlussfähig sind. Bilingualität ist dabei ein wichtiger Schritt – Englisch wird wichtiger, aber dennoch bleibt die deutsche Sprache zentral. Die 200-jährige Geschichte des KIT in Karlsruhe und dem badischen Umland ist Teil unserer Identität. Internationalität und Regionalität stehen nicht im Widerspruch – sie bereichern einander.

Das KIT versteht sich als aktiver Partner in einem internationalen Netzwerk – innerhalb Europas ebenso wie darüber hinaus. Die Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt uns dabei mit großer Kraft. Doch auch wir selbst müssen dafür die nötigen Strukturen schaffen: offene Karrierezugänge, verlässliche Rahmenbedingungen, internationale Sichtbarkeit.

Deutschland braucht die Internationalisierung ganz konkret, auch aus demografischen Gründen. Für das KIT – mit seiner engen Verbindung zur Wirtschaft – bedeutet das: Internationalisierung ist keine Option, sondern Voraussetzung, um den Bildungs- und Innovationsstandort Deutschland nachhaltig zu sichern. Internationalität ist auch gelebte Diversität: Sie bringt neue Perspektiven, fördert Innovation und verbindet Menschen jenseits von Herkunft, Kultur und Sprache. Sie ist nicht nur ein wissenschaftlicher Gewinn – sie ist eine ökonomische und gesellschaftliche Notwendigkeit. Auch heute.

Wissenschaft kann Brücken bauen, wo Politik versagt. Inmitten geopolitischer Spannungen schafft wissenschaftliche Kooperation Raum für Dialog und Verständigung. Wenn wir Internationalität auch als Haltung begreifen, kann Wissenschaft mehr sein als Erkenntnisgewinn – sie kann zur Hoffnungsträgerin werden.

 
 
 
Quantenjahr 2025
 
 
 
 
 
Bild: HZB
 
 
 
 
Teil #05: Quantenmaterialien mit ʼnem Dreh
 
 
 
 
Rund 75 Jahre nach Entwicklung der Quantenmechanik bilden die grundlegenden Erkenntnisse rund um die Bahn- und Eigendrehimpulse – die sogenannte Spin-Bahn-Kopplung von Elektronen – einen Startpunkt zur Entwicklung des Topologischen Isolators, eines völlig neuartigen Materials. „Der Topologische Isolator stellt eine besondere Klasse von Materialien dar, weil er sich durch ein einzigartiges elektronisches Verhalten auszeichnet“, erklärt der Festkörperphysiker Oliver Rader vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB). Im Inneren ist der Topologische Isolator für einen elektrischen Strom nichtleitend, sprich isolierend. Auf seiner Oberfläche dagegen kann ein elektrischer Strom nahezu verlustfrei fließen. Vergleichbar mit einer metallischen Kaffeedose, wobei der Topologische Isolator im Gegensatz dazu aus einem homogenen Material besteht.
 
 
 
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Helmholtz in den Medien
 
 
 

Klimadaten: Mit der zweiten Amtszeit Donald Trumps begann ein Rückbau der Klimaforschung. Näheres dazu, wie sich das im Einzelnen äußert und welche Probleme das für Forschende in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt verursacht, erklärt Wolfgang zu Castell vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung bei DLF Nova.

Dürre: Die anhaltende Trockenheit hat zunehmend Folgen für die Wälder und die Landwirtschaft. Bei Anfang April gesätem Mais könnten die Jungpflanzen teils kaum noch Wasser aus dem Boden ziehen, erklärt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig in der „Frankfurter Rundschau“. Viele Pflanzen sind laut Marx zu klein. Generell seien derzeit vor allem die frisch angelegten Kulturen in Gefahr. „Sie haben noch keine so tief reichenden Wurzeln, und Böden trocknen immer zuerst oben aus.“ Im Wald steige das Risiko für Brände. (Frankfurter Rundschau, 26.5.2025)

Krebsforschung: Krebszellen manipulieren die Kommunikation zwischen Neuronen und Tumorgewebe für ihre Zwecke. Dieser Signalfluss könnte sich kappen lassen - mit großen Chancen für die Therapie. „Hier liegt ein vielversprechender Ansatz, um Bauchspeicheldrüsenkrebs in Zukunft womöglich deutlich wirksamer zu bekämpfen als bisher“, unterstreicht Andreas Trumpp, Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ und Direktor des Instituts für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin in Heidelberg in der „Welt am Sonntag“. In einer viel beachteten Studie, die das Team um Trumpp kürzlich im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte, ließ sich mit Tierversuchen belegen, wie überraschend eng die Kommunikation zwischen Nerven- und Tumorzellen ist – und auf welche Weise dies der Behandlung nutzen könnte. (Welt am Sonntag, 4.5.2025)

 
 
 
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Herausgegeben von: Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., Anna-Louisa-Karsch-Str.2, 10178 Berlin

Redaktion: Sebastian Grote, Franziska Roeder, Martin Trinkaus
Fragen an die Redaktion senden Sie bitte an monthly@helmholtz.de

Bilder: Phil Dera (Editorial)

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