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Helmholtz-Perspektiven 0214

Helmholtz Perspektiven Mai – Juni 2014 20 forschung indirekten Anwendungsnutzen für Wirtschaft und Bürger versprechen, etwa durch den „technological fallout“ – Abfallprodukte der Großforschung, die in anderen Bereichen nützlich sein können. Zum Beispiel waren es die Hochenergiephysiker, die bei der Entwicklung des Teilchenbeschleunigers Hoch­ leistungscomputer hervorbrachten. Diese kommen heute in vielen anderen Bereichen zum Einsatz. „Wenn alles nützlich sein soll, geht das zu Lasten der Grundlagenforschung“ „In Deutschland spielte neben dem erhofften Nut­ zen in der Zukunft auch der Gedanke eine Rolle, die Förderung der Grundlagenforschung sei ein Wert an sich“, sagt Peter Weingart. „Und zwar als Beleg der Wissenschaftsfreiheit und damit als Charakteristi­ kum des freien Westens.“ Seit dem Ende des Kalten Krieges seien ökonomische Argumente aber wieder wichtiger geworden, wie die Debatte um Spin-offs und Technologietransfer aus Universitäten zeige. Doch wenn alles nützlich sein soll, dann geht das zu Lasten der Grundlagenforschung. Schließlich weiß bei der niemand, ob und wann sie zu welchen verwertbaren Ergebnissen gelangen wird. „Die Kriterien, an denen sich der Forschungserfolg mes­ sen lassen muss, werden im laufenden politischen Prozess immer wieder neu formuliert“, sagt der Sozialwissenschaftler Stefan Hornborstel. Dennoch entsteht eine Kontinuität. „Wenn das Parlament über Fusionsforschung abstimmen könn­ te, würde sie vermutlich nicht stattfinden, schon weil sich die Mehrheiten immer wieder ändern“, sagt Weingart. „Allerdings entspricht es dem Wesen der repräsentativen Demokratie, dass Verantwor­ tung delegiert wird – vom Wähler zum Parlament zur Regierung zu untergeordneten Instanzen, die zwar selbstständig handeln, aber Teil dieser Legitimati­ onskette sind.“ Über die Kernfusion entscheiden letztlich das Europäische Fusionsprogramm der EU-Kommission, das Bundesforschungsministerium sowie die verschiedenen Wirtschafts-, Kultus- und Wissenschaftsministerien der Bundesländer. Im Mai 2014 starten die Tests an der For­ schungsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald. Vor 2015 wird dort allerdings noch kein heißes Plasma entstehen. Mithilfe von Wendelstein 7-X wollen die Forscher herausfinden, ob sich der Bautyp „Stellera­ tor“ mittelfristig als Kraftwerk eignet. Was am Ende dabei herauskommt? Das wird man erst erfahren, wenn man es ausprobiert.   Andreas Unger ist die einzige bekannte Energiequelle, die die Menschheit noch nicht erschlossen hat“, sagt Stefan Hornborstel. „Sie wäre praktisch unerschöpf­ lich, jederzeit verfügbar, ohne CO2-Emission, ohne Endlagerung radioaktiver Abfälle und ohne gravie­ rende Sicherheitsrisiken.“ Der zweite Grund laut Hornborstel: die politische Kultur in Westeuropa. „Es gibt starken, parteiübergreifenden Konsens über Langzeitvorhaben. Nicht nur bei der Kernfusion, sondern zum Beispiel auch bei der Krebsforschung.“ Dieser Konsens müsse dennoch immer wieder erneuert werden – auch mithilfe von Monitoring und Bestandsaufnahmen. Dass das Ergebnis kein selbst­ verständliches „Weiter so“ sein muss, sei ein großer Vorteil auf Seiten demokratischer Staaten. Als Beispiel nennt er den deutschen Ausstieg aus der jahrzehntelang politisch protegierten Atomenergie. Dass Staaten überhaupt für Forschung Geld ausgeben, ist ein relativ junges Phänomen. Laut Peter Weingart, Wissenschaftsforscher und Sozio­ logie-Professor an der Uni Bielefeld, begann die De­ batte um öffentliche Forschungsgelder 1946 in den USA. Vorher gab es dort staatliche Forschungsförde­ rung nur für die Rüstung. In seinem Report „Science: The Endless Frontier“ sprach sich der US-amerika­ nische Ingenieur und Forschungspolitiker Vannevar Bush dafür aus, die Förderung der Grundlagenfor­ schung auch in Friedenszeiten aufrecht zu erhalten – mit dem Argument, dass sie den Wohlstand und die Gesundheit der Amerikaner gewährleisten würde. Damit war Forschungsförderung nun nicht mehr auf Fragen der nationalen Sicherheit beschränkt. Nach wie vor mussten die Forschungsziele aber zumindest Vielschichtig  Ein noch offenes Modul von Wendelstein 7-X zeigt den komplexen Aufbau der Forschungsanlage. Bild: Wolfgang Filser/IPP

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