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Sommerzeit – Zeit, die erste Hälfte des Jahres im Schnelldurchlauf Revue passieren zu lassen. Für Helmholtz standen die vergangenen Monate im Zeichen der wissenschaftlichen Begutachtung. Ein Kraftakt für alle Beteiligten und eine wichtige Standortbestimmung für unsere Forschung. In der Forschungspolitik sind seit der Wahl im Februar wichtige Weichen gestellt worden. Helmholtz landete mit vier Projekten auf der Shortlist für priorisierte große Forschungsinfrastrukturen und ist mit mehreren Zentren an den geförderten Startup-Factories beteiligt. Und schließlich beschloss das Kabinett gestern die Hightech Agenda des BMFTR, mit der das Ministerium vor allem Schlüsseltechnologien fördern will. Lesetipp dieser Ausgabe: Markus Groths Standpunkt zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels. Viel Spaß beim Lesen! |
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In der Psychologie gibt es seit Langem den Traum, menschliches Denken in seiner ganzen Vielfalt zu erklären. Doch bisherige psychologische Modelle konnten das nur getrennt voneinander: entweder nachvollziehbar erklären, wie Menschen denken – oder mit hoher Genauigkeit vorhersagen, wie sie sich verhalten. Beides gleichzeitig galt bisher als kaum möglich. Das Team um Marcel Binz und Eric Schulz von Helmholtz Munich hat nun ein Modell entwickelt, das beides verbindet. Centaur wurde mithilfe eines eigens kuratierten Datensatzes trainiert. Er umfasst über zehn Millionen Einzelentscheidungen aus 160 Verhaltensexperimenten. Das Besondere an Centaur: Es kann menschliches Verhalten nicht nur in bekannten Aufgaben vorhersagen, sondern auch in neuen Situationen, die es nie zuvor gesehen hat. Dabei erkennt es typische Entscheidungsstrategien, reagiert flexibel auf Kontextwechsel – und sagt selbst Reaktionszeiten erstaunlich präzise voraus. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Analyse klassischer psychologischer Experimente bis hin zur Simulation individueller Entscheidungsprozesse in klinischen Kontexten, etwa bei Depressionen oder Angststörungen. Gerade für die Gesundheitsforschung eröffnet das Modell neue Perspektiven – etwa um zu verstehen, wie Menschen mit unterschiedlichen psychischen Belastungen Entscheidungen treffen. Dazu soll der Datensatz künftig auch demografische und psychologische Merkmale enthalten. Centaur verbindet zwei bislang getrennte Welten: verständliche Theorien und präzise Vorhersagekraft. Es kann aufdecken, wo klassische Modelle versagen – und liefert Hinweise, wie sie sich verbessern lassen. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden nun tiefer in das „Innenleben“ von Centaur blicken. Dass diese Forschung bei Helmholtz Munich entsteht und nicht in den Entwicklungsabteilungen großer Tech-Konzerne, ist kein Zufall: „Wir verbinden KI-Forschung mit psychologischer Theorie – und mit einer klaren ethischen Verantwortung“, sagt Erstautor der Studie Marcel Binz. „In einem öffentlichen Forschungsumfeld haben wir die Freiheit, auch grundlegende kognitive Fragen zu verfolgen, die für Unternehmen oft nicht im Fokus stehen.“
Vier gewinnt: Neuer Halbleiter für die Chips der Zukunft |
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Die Themen, die ich mit meinem Team bearbeite, betreffen die Anpassung der Menschen an den Klimawandel. Konkret beschäftigen wir uns mit dem Wasser in der Stadt. Wir schauen uns an, wie man das Regenwasser in der Stadt für trockene Zeiten zurückhalten und wiederverwenden kann. Darüber hinaus interessieren uns die lokalen Wasserkreisläufe. Hier spielt die Stoffstromtrennung eine wesentliche Rolle: Toiletteninhalte können künftig als Rohstoffe betrachtet und das Grauwasser mit einfachen naturbasierten Methoden gereinigt und zur Bewässerung genutzt werden. Das Spannendste ist für mich, in Kooperation mit den Vertreter:innen der Stadt gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Ich würde mich noch intensiver mit der Klimaanpassung von Leipzig befassen und die Stadt gemeinsam mit relevanten Verbündeten zu einer Musterstadt der Klimaanpassung entwickeln. Dabei gäbe es mehrere Themen, die ich mit meinem Team untersuchen könnte: Welche Technologien der Regenwasserbewirtschaftung ergeben am Standort Leipzig Sinn? Wie muss man diese Technologien betreiben, damit sie unter Berücksichtigung aller lokalen Gegebenheiten auch wirklich funktionieren? Gern würde ich auch in die Stadtplanung Elemente der Stoffstromtrennung einbringen. Ein wichtiger erster Schritt dabei wäre, einen Standort zur Verarbeitung von Inhalten aus Trockentoiletten, die im öffentlichen Raum installiert werden, zu entwickeln.
Es gibt mehrere spannende Persönlichkeiten, die ich gern zum Abendessen einladen würde, zum Beispiel Rüdiger Nehberg, dessen Buch „Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen“ ich sehr inspirierend finde. Ich schätze auch den tschechischen Priester und Soziologen Prof. Tomáš Halík sehr und würde mich mit ihm gern über die Ethik in Zeiten des Klimawandels unterhalten: Wo fängt die Freiheit eines Menschen an und wo hört sie auf, wenn es um existenzielle Fragen geht? |
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Der Klimawandel schreitet voran und seine wirtschaftlichen Folgen rücken immer stärker in den Fokus. Die Forschung hierzu hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Sie zeigt eine große Bandbreite an verwendeten Modellen und Szenarien sowie regionalen und sektoralen Perspektiven. Die Ergebnisse sind eindeutig: Global ist bis Mitte des Jahrhunderts mit erheblichen wirtschaftlichen Schäden zu rechnen. Um die schlimmsten Folgen zu begrenzen, müssen wir jetzt Emissionen drastisch reduzieren und gleichzeitig verstärkt Anpassungsmaßnahmen umsetzen. In Deutschland manifestieren sich die wirtschaftlichen Folgen vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei sowie kritischen Infrastrukturen wie Verkehr und Energie. Auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben eine bedeutende wirtschaftliche Komponente. Die größten Risiken gehen von Überflutungen, Dürren und Hitze aus. Diese Extremwetterereignisse, die infolge des Klimawandels noch häufiger auftreten werden, beeinträchtigen die Wirtschaftsleistung. Maßnahmen, die die Erderwärmung mindern und helfen, uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen, reduzieren nicht nur Schäden, sondern haben insgesamt positive wirtschaftliche Effekte. Die Dimension der Schäden zeigt der Blick auf vergangene Extremwetterereignisse. Die Flutkatastrophe im Ahrtal verursachte 2021 mindestens 40,5 Milliarden Euro Schäden. Die Hitze- und Dürrejahre 2018 und 2019 kosteten mindestens 35 Milliarden Euro. Darüber hinaus sind 99 Prozent der mindestens 30.000 seit dem Jahr 2000 aufgetretenen extremwetterbedingten Todesfälle auf Hitze zurückzuführen. Das Problem: Die Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Aspekte des Klimawandels wachsen zwar an, sie werden aber in der Politik nicht ausreichend berücksichtigt. Besonders auf lokaler und regionaler Ebene von Landkreisen und Kommunen – also dort, wo die direkte Umsetzung der Klimapolitik erfolgen muss – ist hierfür zudem ein teilweise großer Unterstützungsbedarf zu erkennen. Dabei ist die Dringlichkeit zum Handeln unbestritten. Eine besondere Brisanz erhält die Debatte aktuell durch das Thema „Overshoot“ – also das vorübergehende Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sowie deren Bedeutung für die lokale Anpassungsplanung sind bislang noch nicht ausreichend verstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es Grenzen der Anpassung gibt, bei deren Überschreiten keine Anpassung mehr möglich ist. Gleichzeitig befinden wir uns in einer klimapolitischen Umsetzungskrise. Sie betrifft nicht nur die Nutzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Auch ökonomische und nachhaltigkeitswissenschaftliche Perspektiven und Lösungsansätze finden politisch nicht die notwendige Berücksichtigung. Vorschläge zur Überwindung dieser Defizite wurden insbesondere im „Augsburger Aufruf zur Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Klimaforschung“ und der Stellungnahme „Nachhaltigkeitsforschung dringender denn je!“ des Deutschen Komitees für Nachhaltigkeitsforschung (DKN) formuliert. Sie zeigen neue Forschungsschwerpunkte und Handlungsbedarfe auf und betonen die Notwendigkeit einer langfristig verlässlichen Forschungsfinanzierung. Um die klimapolitische Umsetzungskrise zu überwinden, müssen Wissenschaft und Politik besser zusammenarbeiten. Vor allem die regionale und lokale Ebene brauchen mehr Unterstützung, um wissenschaftlich fundierte, langfristig wirksame und gesellschaftlich tragfähige Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. |
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KI: Wie künstliche Intelligenz Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit stärken kann, erläutert Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler in der Publikation „think about: Digital Future“, die als Beilage in der „Welt“ erschienen ist. In dem Editorial spricht er sich für eine engere Verzahnung von Wissenschaft, Wirtschaft und Kapitalgebern aus – ermöglicht durch geschickte politische Weichenstellungen. Quantencomputing: In einer Reportage stellt Die Zeit die Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor, die 2020 mit Standorten in Hamburg und Ulm ins Leben gerufen wurde. Ziel der Initiative ist es, eine industrielle Grundlage sowie ein innovationsfreundliches ökonomisches Umfeld für Quantencomputer „made in Germany“ zu schaffen. Ökosystem: Das ZDF berichtet in der Sendung „heute – in Deutschland“ über eine große Pflanzaktion von Seegraswiesen, die das GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel gestartet hat. Dafür schult das Zentrum gezielt Vereine und NGOs und bindet dabei auch Kinder aktiv ein. Seegraswiesen sind nicht nur essenziell für die marine Biodiversität, sondern leisten auch als hocheffiziente CO₂-Speicher einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Allergietest: Der Tagesspiegel berichtet über eine Studie von Forschenden des Max Delbrück Centers, die der Frage nachgeht, warum nicht alle Kinder mit Erdnussallergie auf eine Immuntherapie ansprechen. Das zentrale Ergebnis: Künftig könnte ein Bluttest Auskunft darüber geben, welche Kinder von der Therapie profitieren – und so schwere allergische Reaktionen vermeiden. Dadurch ließe sich die Behandlung gezielter, sicherer und wirksamer gestalten. One Health: Deutschlandfunk Kultur begleitet den Veterinärmediziner Fabian Leendertz vom Helmholtz-Institut für One Health auf einer Expedition nach Zentralafrika. Als Experte für Zoonosen erforscht Leendertz, wie Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden und so Ausbrüche schwerer Krankheiten wie HIV, Ebola oder COVID-19 auslösen können. Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Tierwelt, Umwelt und menschlicher Gesundheit besser zu verstehen, hat Leendertz ein Forschungsprojekt in Zentralafrika gestartet, das sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird. |
Herausgegeben von: Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., Anna-Louisa-Karsch-Str.2, 10178 Berlin Redaktion: Sebastian Grote, Franziska Roeder, Martin Trinkaus Bilder: Phil Dera (Editorial) Noch kein Abo? Hier geht's zur Registrierung Wenn Sie unseren Newsletter nicht mehr erhalten möchten, klicken Sie einfach hier: Newsletter abbestellen © Helmholtz
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