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Portrait

Vermittler zwischen den Welten

Wolfgang Marquardt. Bild: Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

Wolfgang Marquardt ist Wissenschaftler mit Leib und Seele. Vor einigen Jahren entschied er sich für den Wechsel ins Forschungsmanagement. Ein Schritt, den er bis heute nicht bereut.

Es war auf einem Flur der Universität Stuttgart, wo Wolfgang Marquardt der Forschung verfiel. Er studierte Verfahrenstechnik im dritten Semester, und eigentlich sollte er mit seinen Kommilitonen auf dem Rundgang durch die Labore nur auswählen, welche Vertiefungsrichtung ihm am besten liege. "Da kam ich mit einem Professor ins Gespräch, eine halbe Stunde haben wir uns unterhalten", sagt Marquardt und erzählt die harmlose Begebenheit so, als liege sie erst ein paar Wochen zurück. "Er sprach mit einem solchen Enthusiasmus von seiner Forschung, dass ich gemerkt habe: Auf dieser Wellenlänge schwinge ich mit."

Die Begeisterung ist ihm geblieben, auch knappe drei Jahrzehnte später noch. Heute hat Wolfgang Marquardt sein Büro mehr als 400 Kilometer nördlich vom heimischen Schwaben: Seit 2014 ist er Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich. Seine Aufgabe trat er in einer Zeit an, als die ureigenen Themen der Jülicher besonders in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte rückten. Bereiche wie Teilchenphysik und Fusionsforschung laufen aus, dafür sollen die drei Säulen Energie, Information und Bioökonomie künftig noch stärker herausgearbeitet werden. "Das Forschungszentrum soll eine Art Klammer sein, die diese drei Bereiche miteinander verbindet", sagt Marquardt.

Querverbindungen will er, ähnlich wie an vielen Helmholtz-Zentren, auch zwischen den einzelnen Disziplinen herstellen. Gerade in Jülich, davon ist er überzeugt, könnten dabei faszinierende Überschneidungen entstehen - wenn etwa Supercomputing, Informationstechnologien und Hirnforschung aufeinandertreffen. "Wir möchten die Blumen zu einem Bouquet binden": Das ist das Bild für die Veränderungen, das der 61-Jährige am häufigsten verwendet. Seine eigene Rolle dabei? "Man würde das gar nicht hinbekommen, wenn man sich selbst als Problemlöser sieht. Ich will mich viel eher als Impulsgeber einbringen; als jemand, der immer wieder eine Diskussion anstößt. "Dieses Vernetzen ist eine Aufgabe, die Wolfgang Marquardt liegt. Er blickt zurück in die 1990er Jahre, damals war er Professor für Prozesstechnik an der RWTH Aachen: "Da hat es auch schon Spaß gemacht, Dinge zusammenzubringen, bei denen das nicht ganz einfach ist", erinnert er sich. Zwei erfolgreiche Sonderforschungsbereiche richtete er ein, und auch sonst verknüpfte er sich mit seinen Kollegen öfters zu größeren Gruppen. Der Leibniz-Preis war 2001 die beste Bestätigung für diese Arbeit.

Drei Jahre danach, 2004, wurde Wolfgang Marquardt in den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) berufen. "In dieser Zeit habe ich einen Blick für das Wissenschaftssystem als Ganzes bekommen", sagt er heute. Dieser Blick war eine wichtige Voraussetzung für seine Wahl zum Vorsitzenden des Wissenschaftsrats im Jahr 2011 - "das war die erste bewusste Entscheidung, die Welt des Forschungsmanagements zu betreten." Der Vorstandsvorsitz in Jülich war dann der nächste Schritt; eine Aufgabe, in die er viele Erfahrungen aus den vorherigen Stationen einbringen kann.

Seine eigenen wissenschaftlichen Arbeiten hat Wolfgang Marquardt erst einmal auf Eis gelegt, an der RWTH ist er beurlaubt und nicht einmal für das A-Capella-Quintett, in dem er mit einigen Kollegen aus Aachen gesungen hatte, bleibt noch Zeit. "Natürlich spüre ich ein Kribbeln, wenn ich näher an die Forschungsthemen herankomme", sagt er. Spaß bereite ihm der Posten im Management aber trotzdem - "ich mache mir ja weiterhin Gedanken über die Wissenschaft, nur eben nicht vom Fahrersitz aus, sondern als kritischer Begleiter."

Und dann muss Wolfgang Marquardt schmunzeln. Er zeigt auf das Bild, das er vom Schreibtisch in Jülich aus sieht: Die Erdkugel ist darauf zu sehen, und vor ihr schwingt auf einer Schaukel ein Männchen. Marquardt hat seine eigene Interpretation vom Mann auf der Schaukel: "Er versucht, die Welt zu begreifen, rumzusausen und zu vernetzen", sagt er. Gemalt hat das Bild seine frühere Sekretärin - ein Geschenk, das ihm auf den Leib geschneidert ist.

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