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Tuberkulose

Noch immer eine globale Gefahr

Bild: CDC/ Dr. Ray Butler

Die Tuberkulose ist weltweit auf dem Vormarsch. Resistente Erreger breiten sich aus und neue Behandlungsmöglichkeiten sind noch nicht in Sicht. Tuberkulose-Forscher Mahavir Singh vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung spricht in einem Interview über die Ursachen

Herr Prof. Singh, die Tuberkulose ist weltweit wieder auf dem Vormarsch. Woran liegt das?

Ein großes Problem sind die Lebensbedingungen in bestimmten Regionen der Welt, vor allem in Afrika und Asien. Immer mehr Menschen leben dort auf engstem Raum zusammen. So entstehen ideale Bedingungen für die Übertragung eines Erregers wie Tuberkulose. Ein weiteres Problem ist die Verbreitung von HIV bzw. AIDS. Die Patienten, deren Immunsystem ja geschwächt ist, erkranken immer an Tuberkulose, wenn sie infiziert sind. Oft sterben sie sogar daran.

Welche Regionen sind besonders betroffen?

Afrika, Asien aber auch Osteuropa. In Afrika und Asien liegt das vor allem an den erwähnten Lebensbedingungen der Menschen. Besonders in Städten. Nach Delhi migrieren jeden Tag Tausende Menschen, die dann oft in Slums unter sehr schlechten Bedingungen leben. Wie wichtig die hygienischen Bedingungen sind, sieht man auch in Westeuropa. Nach dem zweiten Weltkrieg war Tuberkulose auch in Deutschland weit verbreitet. Die vergleichsweise geringe Verbreitung heute ist vor allem auf die guten hygienischen Bedingungen hierzulande zurückzuführen. Auch in Osteuropa spielen die gesellschaftlichen Verhältnisse eine große Rolle. Alkoholismus unter Jugendlichen und damit verbundene Lebensbedingungen sind hier ein Problem. In einigen osteuropäischen Gefängnissen ist die Hälfte der Insassen infiziert und viele sterben daran.

Warum breiten sich Resistenzen immer mehr aus?

Das Hauptproblem ist die Non-Compliance also das konsequente Durchhalten der Therapie: Die Medikamente, die wir heute haben, müssen über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten bzw. zwei Jahren eingenommen werden. Mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen Den Betroffenen geht es aber schon nach einigen Monaten besser, so dass viele die Therapie abbrechen. Das fördert die Entstehung und Verbreitung von Resistenzen. Aber auch ohne das Compliance-Problem entstehen Resistenzen. Resistenzprüfungen sind übrigens aufwändig. Man muss die Erreger für drei bis vier Wochen kultivieren.

Welche neuen Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Leider gar keine. In der Wirkstoffforschung gibt es zwar sehr interessante Ansätze, die aber noch weit von zugelassenen Medikamenten entfernt sind. Die Medikamentenentwicklung ist eine sehr teure Angelegenheit. Viele Pharmafirmen überlegen genau in welche Richtung sie investieren. In Bereichen wie Krebs oder Multiple Sklerose gibt es mehr Geld zu verdienen als im Bereich der Antibiotika. Doch nicht nur die Therapie ist ein Problem, sondern auch die Diagnostik. Es gibt keine kostengünstige und schnell anwendbare Möglichkeit Tuberkulose zu diagnostizieren. Kurz gesagt: Wir haben vielversprechende Ergebnisse bezüglich Diagnostik und Therapie erzielt, uns fehlt aber das Geld für große und langfristige Forschungsarbeiten sowie klinische Studien.

Prof. Dr. Mahavir Singh, Bild: HZI

Mahavir Singh promovierte 1978 im Fach Genetik an der Universität von Dehli, Indien. Seit 1980 lebt er in Deutschland und habilitierte an der Universität Bayreuth, um im Anschluss für drei Jahre als Assistenzprofessor im Fachbereich Genetik der Uni Bayreuth zu forschen. Nach einer Forschungszeit als Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln, wechselte er 1988 nach Braunschweig an das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Tuberkuloseforschung am HZI

Am 20.11. erhielt Prof. Singh den "Arts & Air-Award"

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