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Hirn- und Altersforschung

Fördergelder für Magdeburger Hirnforscher

Floureszierende Nervenzellen des Hippocampus. Bild: CC-Attribution-NonCommercial-ShareAlike (CC BY-NC-SA), IEM HAS

Was passiert im Gehirn, wenn sich unser Orientierungsvermögen im Alter verändert? Thomas Wolbers vom Magdeburger Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) will das herausfinden. Für seine Forschung erhielt er kürzlich den „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC). Die Fördersumme von rund 1,3 Millionen Euro erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren.

Ältere Menschen haben oft Probleme sich räumlich zu orientieren: Sie finden sich in neuen Umgebungen nur schwer zurecht oder wissen nicht, wie sie den Weg zu ihrem Auto auf dem Supermarktparkplatz wiederfinden sollen. Thomas Wolbers vom Magdeburger Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erforscht, wie sich das räumliche Orientierungsvermögen im Alter verändert und welche neuronalen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Für seine Forschung erhielt er kürzlich den "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC). Die Fördersumme von rund 1,3 Millionen Euro erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren.

"Ältere Menschen können nur dann ein unabhängiges und aktives Leben führen, wenn ihr Orientierungssinn noch gut funktioniert", sagt Wolbers. "Dennoch gibt es bisher nur sehr wenig Forschung darüber, wie der Alterungsprozess die räumlichen Fähigkeiten beeinträchtigt." Um das herauszufinden, kombiniert der Neurowissenschaftler Untersuchungen von Hirnprozessen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) mit mathematischen Modellen und modernsten Datenanalyseverfahren.

Mit den Geldern aus dem Förderprogramm möchte Wolbers ein 'virtuelles Theater' aufbauen. Damit ist eine Art 360-Grad-Kino gemeint, in dem sich Versuchsteilnehmer auf einem Laufband in alle Richtungen durch eine realistisch simulierte Umwelt bewegen können. Die simulierte Umgebung passt sich dabei ihren Bewegungen an. Um herauszufinden, ab welchem Alter die Orientierung nachlässt, werden Wolbers und sein Team gesunde Probanden zwischen 50 und 80 Jahren über einen längeren Zeitraum beobachten. "Die Versuchsteilnehmer müssen beispielsweise eine bestimmte Route zum Bäcker lernen, die sie anschließend wiederholen", so Wolbers. Danach werden die Probanden in einem Magnetresonanztomografen untersucht. Die Wissenschaftler analysieren etwa, welche Gehirnareale beim Zeigen eines Ausschnittes aus der virtuellen Welt aktiviert werden. Langfristig sollen diese Navigationsexperimente an ein mobiles EEG gekoppelt werden, das die elektrische Aktivität des Gehirns misst. "Die Probanden tragen dann im 'virtuellen Theater' eine Kappe mit Elektroden. So können wir direkt die Hirnströme messen", erklärt Wolbers den Vorteil der Methode.

Wolbers und seine Arbeitsgruppe hoffen, mit ihrer Forschung zu neuen Therapieansätzen beitragen zu können. "Wir wollen eine Interventionsstudie - Vorher-Nachher-Studie - entwickeln, in der die Fähigkeit der Navigation trainiert wird", so Wolbers. In Tierexperimenten konnten Wissenschaftler bereits nachweisen, dass durch gezieltes Training die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus - einer Gehirnregion, in der unter anderem der Orientierungssinn verankert ist - möglich ist. Das wollen Wolbers und seine Leute nun auch am Menschen nachweisen. "Letztlich geht es bei unserer Forschung darum, Orientierungsstörungen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, die etwa Demenzerkrankungen vorbeugen oder diesen zumindest entgegenwirken", sagt Wolbers.

Thomas Wolbers ist 2012 gemeinsam von der Otto-von-Guericke-Universität und dem DZNE auf eine Professur für "Kognition im Alter" nach Magdeburg berufen worden. Dem DZNE wird erstmals ein "Starting Grant" des ERC bewilligt und es ist zugleich der erste ERC-Grant für einen Forscher aus Sachsen-Anhalt. Mit den "Starting Grants" fördert der ERC begabte Nachwuchsforscher in den frühen Phasen ihrer Karriere.

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