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Welt-Aids-Tag

AIDS: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück

Bild: Saikrat Paul / shutterstock

Der Kampf gegen das HI-Virus ist im Großen und Ganzen eine Erfolgsgeschichte. Gewonnen ist er dennoch noch lange nicht, wie aktuelle Statistiken zeigen. Ein Überblick über einen steinigen Weg.

Bald 40 Jahre nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Weltaidstag 1988 eine jährliche Bilanz der Epidemie etablierte, lässt sich viel Positives vermelden: Antiretrovirale Therapien haben das HI-Virus beherrschbar gemacht. Inzwischen ähnlen die Auswirkungen des Virus eher einer eher einer chronischen Erkrankung, als einer tödlichen Gefahr. Es kommt kaum noch zu Übertragungen von Müttern auf ihre Kinder  – während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder beim Stillen; auch nicht im globalen Süden. Weiterhin macht die medizinische Forschung große Fortschritte. Zu den aktuell größten Hoffnungen gehört, das Virus bis unter die Grenze der Messbarkeit unterdrücken zu können. Geforscht wird zu Gen- oder Stammzelltherapie; ebenso zu Immuntherapie: Auch eine Impfung schlägt zumindest im Versuch an Affen  an. Der Kampf gegen AIDS ist also eine Erfolgsgeschichte.

Dennoch garnierte die Südafrikanerin Quarraisha Abdool Karim, ihren Vortrag auf der Falling-Walls Conference in Berlin mit einem Zitat Nelson Mandelas: „Wenn man einen hohen Berg bestiegen hat, stellt man fest, dass es noch viele andere Berge zu besteigen gibt“ – so stand es am 9. November hinter ihr geschrieben. Mitgebracht hatte die Epidemiologin Daten, die mehr als deutlich machten, dass neben Licht noch immens viel Schatten existiert.

So infizieren sich in Südafrika nach wie vor täglich mehr Menschen mit HIV als in Deutschland im ganzen Jahr. Statistisch infizieren südafrikanische Männer Frauen, die acht Jahre jünger sind: „Für 15 bis 24-Jährige Frauen ist das Risiko, sich anzustecken, viermal so hoch wie bei gleichaltrigen Männern“, sagt die mehrfach preisgekrönte Forscherin, und es ist nicht schwer zu erklären, woran das liegt. So liegt etwa die Infektionsrate bei schwangeren Südafrikanerinnen in ländlichen Regionen bereits bei Unter-16-Jährigen bei 11,5 Prozent; bis zum Alter von über 25 steigt sie auf 51,9 Prozent.

Dahinter stehen Verhältnisse zwischen Frauen und Männern, die auf verschiedene Weise von Macht geprägt sind: durch frühe Ehen, Prostitution gegen Geld, oder auch gegen Schulbesuche, Vergewaltigungen. In all diesen Fällen steht für Qarim fest: „Mit Kondomen, Treue, Abstinenz kommen wir nicht weiter. Die Frauen haben es schlicht nicht in der Hand.“ Das Institut Caprisa (Center for the Aids Programme of Research in South Africa), wo sie arbeitet, hat sich ganz den „Women-Driven Technologies“ verschrieben – Techniken, die den Frauen immerhin die Kontrolle über ihre Gesundheit zurückgeben; vor allem, indem sie sich mithilfe eines Vaginalgels oder –rings selbst schützen.

Auch hier gilt allerdings: Auf zwei Schritte vorwärts folgt häufig einer zurück. Der antiretrovirale Wirkstoff Tenofovir hat sich als nicht so wirkungsvoll erwiesen wie einst gehofft. Nun untersucht Caprisa, ob ein vaginales Bakterium (Prevotella bivia) verantwortlich ist, wenn er nicht anschlägt. Höher ist die Effizienz in Kombination mit Emitricabin; unter dem Handelsnamen Truvada ist das so genannte PreP-Mittel (Präexpositionsprophylaxe) in Südafrika (und seit 2016 auch in der EU) zugelassen. Es ist allerdings recht teuer – wie ohnehin Zugang zu medizinischer Versorgung und angemessener Medikation im globalen Süden die zentrale Herausforderung bleibt.

Hinzu kommt eine verbreitete Scheu vor den Mitteln. Laut einer Studie des Microbicide Trials Network (USA) ließen sich bei 5.000 Teilnehmerinnen in Uganda, Simbabwe und Su?dafrika bei weniger als jeder zweiter Spuren von Tenofovir oder Truvada finden; obwohl die Frauen sie bekamen und zusagten, sie zu verwenden. Die häufigsten Begründungen: Zweifel an der Wirksamkeit – und die Angst, als Aids-Opfer abgestempelt zu werden. Und wieder rollte der Stein ein Stück den Berg hinunter.

Zur Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums Weniger Krebserkrankungen bei AIDS – aber keine Entwarnung

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