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Supernovae

Sternenstaub in der Antarktis

Das Hubble-Weltraumteleskop hat einen kleinen Ausschnitt der expandierenden Überreste eines massereichen Sterns, der vor etwa 8.000 Jahren explodierte, mit atemberaubenden Details enthüllt. Bild: NASA/ESA/Hubble Heritage Team

Das seltene Isotop Eisen-60 entsteht bei gewaltigen Sternenexplosionen. Nur ein kleiner Teil gelangt von fernen Sternen auf die Erde. Forscher haben erstmals Eisen-60 in der Antarktis entdeckt. Aus dem Fund konnten sie spektakuläre Schlüsse ziehen.

Jedes Jahr rieseln mehrere Tausend bis einige Zehntausend Tonnen kosmischen Staubs auf die Erde. Die meisten dieser winzigen Teilchen stammen von Asteroiden und Kometen unseres Sonnensystems. Ein kleiner Teil kommt jedoch von fernen Sternen zu uns. Besonders interessant ist das darin befindliche Eisen-Isotop, Eisen-60. Natürliche irdische Quellen gibt es nicht. Explodierende Sterne, sogenannte Supernovae, schicken dagegen große Mengen an Eisen-60 auf die Reise. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben nun in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen von zwei Helmholtz-Zentren erstmals Eisen-60 in der Antarktis entdeckt.

Die Kohnen Station. Bild: Alfred-Wegener-Institut/ Martin Leonhardt

Es begann im Jahr 2015: Sepp Kipfstuhl vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) befand sich wieder einmal in der antarktischen Kohnen-Station, eine rund 750 Kilometer von der Neumayer-Station III entfernt gelegene Containersiedlung. Kipfstuhl untersuchte dort die Frage, wie sich Spurenstoffe im Eis ablagern. Ein Wunsch von Gunther Korschinek von der TUM kam ihm dabei als Abwechslung gerade recht. Er sollte 500 Kilogramm Schnee sammeln und in Kisten verpacken. Korschinek hatte bereits vor 20 Jahren Eisen-60 in Tiefseeablagerungen nachgewiesen.

Eine Aufsehen erregende Entdeckung, denn die Forscher schlussfolgerten, dass vor rund zwei Millionen Jahren mehrere Supernovae in der Umgebung der Sonne explodiert sein müssen. Sie schlossen das aus der Tiefe in einer Mangankruste, in der sie das Eisen-60 fanden, das sich über Jahrmillionen am Meeresboden abgelagert hatte. Korschinek fragte sich daraufhin, wo er vielleicht weitere Eisen-60-Ablagerungen finden könnte, als Zeugen dieser Sternenexplosionen, die in jüngerer Vergangenheit stattgefunden hatten. Ein schwieriges Unterfangen, weil der feine Staub aus dem Kosmos normalerweise in der Natur untergeht. Im reinen Schnee der Antarktis hingegen könnte er sich, so seine Überlegung, aufspüren lassen. "Also holten wir unsere Schaufeln raus und schippten Schnee", erinnert sich Kipfstuhl. Anschließend machte sich die Probe im gefrorenen Zustand auf eine lange Reise. 

Per Flugzeug wurden die 25 Kisten an die antarktische Küste transportiert, gelangten von dort mit einem südafrikanischen Forschungsschiff nach Kapstadt und wurden schließlich über das AWI in Bremerhaven nach München transportiert. Ein Team der TUM hat dann den Schnee geschmolzen und mit feinen Papierfiltern die festen Bestandteile vom geschmolzenen Schnee getrennt.

Insgesamt 13 Filter gingen dann an das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), wo Silke Merchel nach allen Regeln der chemischen Kunst die festen Bestandteile auf dem Papier auflösen sollte. "Ich habe vorher mit leeren Filtern geübt, damit bei der endgültigen Arbeit mit der wertvollen Probe nichts schiefgeht", erinnert sich die Chemikerin. "Außerdem habe ich geschaut, welche Elemente in den Filtern und verwendeten Chemikalien schon drin sind, denn die späteren Messungen waren so empfindlich, dass man damit alles findet."

Von den insgesamt 13 Filtern mit der richtigen Probe hat ein Dresdner Kollege noch offensichtliche Verunreinigungen unter dem Mikroskop aussortiert, dann wurden sie bei 650 Grad Celsius verbrannt. "Diese Asche haben wir mit klassischen chemischen Methoden etwa drei Wochen lang bearbeitet, bis wir das für die spätere Analyse benötigte Eisen im Milligrammbereich vorliegen hatten", erklärt die Dresdner Forscherin "Diese winzigen Eisenproben wurden von einem HZDR-Kollegen persönlich nach München gebracht."

Selbst das gefilterte Wasser wurde weiterverwendet. Es ging an Jan Welch vom Atominstitut in Wien, der es mit Hilfe eines Rotationsverdampfers eindampfte. Nach einer anschließenden chemischen Extraktion des Eisen-60, ging ebenfalls eine Probe nach München. Dort nahmen Gunther Korschinek und Dominik Koll die Proben in Empfang, um das extrem seltene Eisen-60 zu messen. Koll hat seine Masterarbeit mit der Analyse der Proben angefertigt und ist der Erstautor der jüngsten Veröffentlichung.

Ein enormer Aufwand, um ein paar Atome nachzuweisen. Doch die Tatsache, dass das Eisen-60, das man auf der Erde findet, aus Supernova-Explosionen stammt, macht es so interessant für die Forscher. Dieses Isotop ist instabil und zerfällt; alle 2,6 Millionen Jahre halbiert sich eine ursprünglich vorhandene Menge. Sollte bei der Entstehung der Erde vor 4,6 Milliarden Jahren Eisen-60 vorhanden gewesen sein, so ist dies bis heute vollständig zerfallen. Weist man dieses Isotop irgendwo nach, so muss es nach astronomischen Maßstäben vor nicht allzu langer Zeit aus dem Weltraum gekommen sein.

Es gibt weltweit nur zwei Anlagen, mit denen sich die winzigen Mengen an Eisen-60 nachweisen lassen, eine ist am Tandem-Beschleuniger in München. Hier werden einzelne Atome in Abhängigkeit von ihrer Masse gezählt. Nach aufwändiger Analyse fand Koll in der Filterprobe ganze fünf Eisen-60-Atome. Er konnte ausschließen, dass diese zum Beispiel bei Atomwaffentests oder dem Reaktorunfall von Fukushima entstanden sind. Die radioaktiven Isotope müssen von fernen Sternexplosionen stammen.

Allerdings rieselte dieses Eisen-60 nicht vor Jahrmillionen auf die Erde, denn der eingesammelte Schnee war nicht älter als 20 Jahre. Von sehr weit entfernten Supernovae scheint er nicht kommen, weil sich der Eisen-60-Staub sonst zu stark im Universum verdünnt hätte. Koll, der derzeit seine Forschung an der Australian National University in Canberra, Australien, fortsetzt, vermutet als Herkunftsort deshalb die interstellare Nachbarschaft. Astronomen haben herausgefunden, dass sich unser Sonnensystem in einer Ansammlung von heißen Gaswolken befindet.

Die Wolke, die der Erde am nächsten ist, ist die Local Interstellar Cloud. Diese könnte durch Supernovae geschaffen worden sein. „Vor etwa 40.000 Jahren ist unser Sonnensystem in eine dieser Wolken, die auch Lokale Flocke genannt wird, eingetreten", erklärt Korschinek, "und wird sie in einigen tausend Jahren wieder verlassen." Aus dieser Hypothese folgt, dass Material aus Eisbohrkernen, das älter als 40.000 Jahre ist, kein interstellares Eisen-60 enthalten sollte", ergänzt Koll. "Ideal wäre natürlich, wenn wir den Übergang des Sonnensystems in diese Wolke hinein nachweisen könnten."

Für Astrophysiker, die sich mit der Entwicklung der Milchstraße beschäftigen, wäre das eine wegweisende Erkenntnis. Tatsächlich verfügt das AWI bereits über solche Eisproben. Damit könnte das Institut bei zukünftigen Projekten wieder eine wichtige Rolle spielen.     

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