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Boden

Dienstleister im Untergrund

Böden bieten nicht nur Bakterien, Pilzen und kleinen Tieren eine Lebensgrundlage. Bild: CC0/Pixabay

Gesunde Böden sind eine wertvolle Ressource, der man lange Zeit wenig Beachtung geschenkt hat. Dabei sind sie für uns existenziell – für die Welternährung, die Wasserreinigung oder den Klimaschutz. Wissenschaftler möchten die Lebensgrundlage Boden langfristig schützen.

"Eine Nation, die ihre Böden zerstört, zerstört sich selbst". Zu diesem Schluss ist US-Präsident Franklin D. Roosevelt schon 1937 gekommen. Und heutige Wissenschaftler halten diese Einschätzung keineswegs für übertrieben. "Böden bringen eine ganze Reihe von sehr wichtigen Leistungen", sagt Hans-Jörg Vogel, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle das Department für Bodensystemforschung leitet. "Wir müssen dafür sorgen, dass sie dazu auch in Zukunft noch in der Lage sind".

Dabei geht es zum einen darum, die Grundlage des Pflanzenwachstums und damit die Ernährung der Menschheit zu sichern. Gleichzeitig ist das Erdreich aber auch einer der am dichtesten besiedelten Lebensräume überhaupt. "In einer Handvoll Boden leben mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt", sagt Hans-Jörg Vogel. Dieses Heer von Bakterien, Pilzen und kleinen Tieren ist unermüdlich damit beschäftigt, tote Biomasse zu zersetzen und die darin enthaltenen Nährstoffe zu recyceln, damit sie wieder für die Pflanzen zur Verfügung stehen.

Zudem spielen die Böden auch eine entscheidende Rolle für den Wasserhaushalt. Wie ein Schwamm halten sie in ihren Poren große Mengen Wasser fest und leisten damit nicht nur einen Beitrag zum Hochwasserschutz. Sie regulieren auch das regionale Klima, indem sie einen Teil des gespeicherten Wassers über die Pflanzen wieder an die Atmosphäre abgeben. Ein weiterer Teil sickert in die Tiefe bis ins Grundwasser. Dabei wirkt der Boden wie ein Filter für Schadstoffe. Ohne diese Reinigungsfunktion ließe sich sauberes Trinkwasser nur mit großem Aufwand und entsprechenden Kosten gewinnen – wenn überhaupt.

Neben Wasser speichert der Boden unter unseren Füßen aber auch gewaltige Mengen Kohlenstoff – und zwar mehr als alle Lebewesen über der Erde zusammen. Am Anfang dieses Prozesses stehen die Pflanzen, die Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und den darin enthaltenen Kohlenstoff in ihre eigenen Blätter, Stängel und Wurzeln einbauen. Sterben die Gewächse ab, landen ihre Überreste oft im Boden. Wenn Bakterien und andere Organismen sie dort allmählich zersetzen, kann dabei wieder Kohlendioxid freiwerden und in die Atmosphäre zurückströmen. Nur kann es je nach Bedingungen Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar noch länger dauern, bis dieser Kreislauf abgeschlossen ist. Bis dahin bleibt ein Teil des Kohlenstoffs in Humus, Torf und anderen organischen Boden-Bestandteilen gespeichert.

"Diese Funktion ist vor allem in Zusammenhang mit dem Klimawandel auf Interesse gestoßen", sagt Hans-Jörg Vogel. Zwar habe auch dieser Speicher eine begrenzte Kapazität. "Wir können also nicht weiterhin so viel Kohlendioxid freisetzen wie bisher und hoffen, dass die Böden es schon irgendwie richten werden", betont der Wissenschaftler. Dennoch lohne es sich zu erforschen, wie man durch angepasste Bewirtschaftungsmethoden mehr Kohlenstoff im Boden halten könne. So ist zum Beispiel bekannt, dass die Bakterien und anderen Zersetzer in gepflügten Böden schneller arbeiten und das Kohlendioxid daher auch rascher wieder in die Atmosphäre befördern. Grünland in Äcker umzubrechen, ist daher aus Klimaschutzgründen keine gute Idee.

Überhaupt sind weltweit eine ganze Reihe von Entwicklungen im Gange, unter denen die Funktionsfähigkeit der Böden leidet. Vielerorts können sie ihre wertvollen Dienstleistungen schon nicht mehr in vollem Umfang erbringen. Am deutlichsten wird das, wenn sie unter Asphalt und Beton verschwinden. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung sieht zwar vor, dass in Deutschland ab dem Jahr 2020 nicht mehr als 30 Hektar freies Land pro Tag in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt werden sollen. Ab 2050 will man sogar ganz auf die Bebauung neuer Areale verzichten. Doch davon ist die Realität noch weit entfernt. Derzeit liegt der Flächenverbrauch in Deutschland bei rund 66 Hektar pro Tag, was ungefähr 90 Fußballfeldern entspricht. "Dabei ist der Boden ja eine endliche Ressource", sagt Hans-Jörg Vogel. "So viel davon zu verbrauchen, ist keine gute Idee."

Doch auch wenn der Boden nicht komplett zerstört wird, kann seine Leistungsfähigkeit leiden. Zum Beispiel, wenn schwere Landmaschinen ihn stark verdichten. Dann kann er nicht mehr so viel Wasser speichern, die Wurzeln der Pflanzen dringen schlechter ein und die Fruchtbarkeit sinkt.

Das Team der Maßnahme BonaRes ("Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie") vom UFZ nimmt Bodenproben für ihre Forschung. Foto: André Künzelmann/ UFZ

Wie aber kann man das Management so umgestalten, dass solche Probleme möglichst nicht auftreten und der Ertrag trotzdem hoch bleibt? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Maßnahme BonaRes ("Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie"), in der Hans-Jörg Vogel das BonaRes-Zentrum als eines von insgesamt elf geförderten Projekten koordiniert.

Wissenschaftler von mehr als 50 Institutionen aus ganz Deutschland versuchen in BonaRes, das System Boden mit all seinen physikalischen, chemischen und biologischen Facetten besser zu verstehen. So wollen sie herausfinden, welche Konsequenzen verschiedene Bewirtschaftungsformen tatsächlich haben und wie eine nachhaltige Bodennutzung in Zukunft aussehen kann. Auch diese Frage hat schon US-Präsident Roosevelt umgetrieben. "Es gibt da noch viel zu tun", schrieb er 1937. Und auch diese Einschätzung ist bis heute aktuell.

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