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EEG-Reform

„Wer entlastet wird, ist noch völlig unklar“

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschränkt sich zu sehr auf die EEG-Umlage und vernachlässigt wesentliche Herausforderungen der Energiewende. Das meint Umweltökonom Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig. Wer am Ende entlastet wird - Verbraucher oder Industrie - sei zudem noch gar nicht entschieden. Ein Interview

Das Bundeskabinett hat eine Reform des EEG beschlossen. Worum geht es dabei konkret?

In erster Linie darum, die EEG-Umlage zu begrenzen. Also ein klares Kostenziel. Mit dieser Umlage bezahlt  jeder Stromkunde die Förderung erneuerbarer Energien mit. Das neue Gesetz schränkt die Förderung der Erneuerbaren durch verschiedene Hebel ein. Unabhängig davon mussten aufgrund des EU-Beihilferechts die Ausnahmeregelungen, die für bestimmte stromintensive Unternehmen bestehen, neu gestaltet werden.

Sowohl seitens der Industrie als auch von Verbraucherverbänden gibt es nun Kritik. Warum?

Bei aller Kritik an der Reform sollte nicht vergessen werden, dass die Förderung insgesamt sinkt, es also unter dem Strich zu einem Entlastungseffekt kommt. Auch das war ja in der Kritik, es war schon von einer Bremse für den Ausbau der Erneuerbaren die Rede. Der Gesamtfördertopf wird also kleiner, obwohl die Bundesländer in letzter Sekunde eine Reihe von Änderungen an der ursprünglichen Gesetzesvorlage zugunsten von Wind und Biomasse durchgesetzt haben. Bei der Verteilung der Lasten ist im Moment noch nicht klar, wie die neue Entlastungsformel für die stromintensive Industrie konkret aussehen wird. Die Verhandlungen mit Brüssel dauern noch an. Unklar ist zudem, ob und wie das Ziel erreicht werden kann, die bisherigen Privilegien auf den Kreis wirklich im internationalen Wettbewerb stehender Unternehmen wirksam zu begrenzen und dadurch nicht-privilegierte Betriebe und private Haushalte spürbar zu entlasten.

Sigmar Gabriel sprach davon, dass die Zahl der Unternehmen, für die es Ausnahmeregelungen gibt von 2.100 auf 1.600 sinken wird.

Offenbar soll es eine Branchenlösung geben, welcher Wirtschaftszweig profitieren soll und welcher nicht, was ich auch für sinnvoll halte. Danach werden Branchen benannt, für die man eine Benachteiligung im internationalen Wettbewerb aufgrund einer vollen EEG-Umlage bejahen muss. Das mag die Gesamtzahl der entlasteten Unternehmen reduzieren. In welchem Umfang aber tatsächlich entlastet wird, ist noch unklar. Wie gesagt: Die genaue Entlastungsformel müssen wir abwarten.

Geht die Reform nach Ihrer Einschätzung in die richtige Richtung?

Das Hauptziel der Reform - die Reduzierung der EEG-Umlage -  ist ökonomisch gar nicht so gut begründet. Die EEG-Umlage wird oft als Indikator für die Kosten der Energiewende gesehen. Das ist falsch. Es handelt es sich ja um eine Differenzgröße: Die Anbieter von Strom aus Erneuerbaren erhalten den Differenzbetrag zum Börsenkurs aufgestockt. Je nachdem, wie sich der Börsenkurs entwickelt, kann die EEG-Umlage schrumpfen oder steigen, ohne dass sich die Förderbedingungen verändern. Im Moment haben wir durch Überkapazitäten im Stromsektor, einen schwachen EU-Emissionshandel und Preiseffekte des EEG selbst  einen niedrigen Börsenpreis. Der Aufstockungsbetrag ist demnach hoch. Insgesamt ist die politische Diskussion viel zu sehr auf die Höhe der EEG-Umlage fokussiert. Andere, viel wichtigere Herausforderungen der Energiewende werden dabei außer Acht gelassen.

Welche Herausforderungen wären das denn?

Ob die Energiewende im Stromsektor gelingt und ob deren Kosten beherrschbar bleiben, entscheidet sich bei weitem nicht allein am Fördermechanismus: Netze und Speicher, Energieeffizienz, flexible Residuallastkraftwerke und Nachfragemanagement müssen hier wichtige Systembeiträge liefern. Der regionale Erneuerbaren-Ausbau muss dringend sinnvoll koordiniert und der Wettlauf der Bundesländer gezügelt werden. Und ein ertüchtigter Emissionshandel muss endlich dafür sorgen, dass flexible Gaskraftwerke den Markteintritt schaffen und nicht von der Kohle blockiert bleiben. Und neben Strom bleiben noch die großen Herausforderungen Wärme und Verkehr!

Professor Erik Gawel ist Leiter des Departments Ökonomie am UFZ und Direktor des Instituts für Infrastruktur- und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig. Arbeitsschwerpunkte des 50jährigen sind unter anderem Umwelt- und Energieökonomik sowie Finanzwissenschaft. Gawel ist Mitautor im Wissenschaftsblog UMWELTforsch.

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