Direkt zum Seiteninhalt springen

Wissenschaftsbild des Monats

Rückzug eines Riesen

Der neu entstandene Eisberg in der Pine Island Bucht im antarktieschen Amundsenmeer. (Foto: European Space Agency - ESA)

Wie ein kleiner Holzsplitter oder ein Stück abgeblätterte Farbe wirkt das längliche Objekt auf den Satellitenaufnahmen der ESA. In Wirklichkeit zeigt das Bild einen kolossalen Eisberg, der sich vom Schelfeis in der Antarktis gelöst hat.

Aufgenommen wurde das Bild am 2. September 2017 von einem Satelliten, der in 700 Kilometern Höhe die Erde umrundet. „Sentinel“ heißt der Satellit, zu Deutsch: Wächter. Seine Aufgabe ist die Unterstützung bei Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen und Erdbeben. Mit dem an Bord befindlichen Radarinstrument können unabhängig von Tageslicht und Wolkenbedeckung Land- und Meeresoberflächen unseres Heimatplaneten rund um die Uhr überwacht werden. Seine Umlaufbahn führt ihn bei jedem Orbit über beide Pole (sodass das Radarinstrument die unter ihm drehende Erde mühelos streifenweise abtasten kann). Hierbei kann es ein Gebiet von bis zu 400 Kilometern Breite auf einmal überblicken und Objekte bis zu fünf Metern Größe erkennen. Und so entging dem „Radarauge“ auch nicht der Abbruch eines gewaltigen Eisbergs vom Pine Island Gletscher, welcher in unserem Wissenschaftsbild als längliche rechteckige Abbruchfläche in der Mitte zu erkennen ist. Mit seinen 265 Quadratkilometern ist der Eisberg zwar nicht so groß wie der im Juli abgebrochen gewaltige Eisberg im Larsen-Schelfeisgebiet – die Fläche des Eisbergs in der Pine Island Bucht ist nur etwas größer als die Stadt Bielefeld. Aber, anders als im Larsen-Schelfeisgebiet, beobachten Wissenschaftler hier zusätzlich, dass der Gletscher schon seit einiger Zeit ausdünnt, sein Abfluss sich beschleunigt und sich die Aufsetzlinie zurückzieht. Das ist die Stelle, wo ein Gletscher landseitig auf festem Untergrund aufliegt. Somit verliert der Gletscher mehr und mehr Masse und trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Durch den jetzt abgebrochenen Eisberg steigt der Meeresspiegel aktuell nicht, denn dieser Teil des Eisschildes schwamm schon vorher im Wasser. Der Rückhalt des Gletschers könnte aber weiterhin abnehmen und ein schnelleres Nachfließen der im Hinterland befindlichen Eismassen begünstigen. Würde der gesamte westantarktische Eisschild in den Ozean fließen, hätte dies einen weltweiten Meeresspiegelanstieg in Höhe von 3,4 bis 4,3 Metern zur Folge.

Mehr Informationen: Eisberg bricht von Pine Island Gletscher ab (Pressemitteilung, Alfred-Wegener-Institut)

Franziska Roeder

Multimedia Editor
Helmholtz-Gemeinschaft