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Wissenschaftsbild des Monats

Ein Ofen für perfekte Kristalle

Bild: M. Setzpfandt / HZB

Aufgeklappt sieht er aus wie eine Designerlampe: Vier Hohlspiegel fokussieren Licht ins Zentrum des Zonenschmelzofens und erzeugen dort eine Hitze, die fast jedes Material zum Schmelzen bringt. Beim Auskühlen wachsen perfekte Kristalle.

Kochsalz, Zucker, Diamanten, diese Kristalle kennen wir alle, mit ihren scharfen Kanten und glatten Flächen verkörpern sie die Liebe der Natur zur Geometrie: Tatsächlich sitzen in Kristallen die Atome in einer regelmäßigen Struktur auf festen „Gitterplätzen“. Diese Struktur bestimmt maßgeblich die Eigenschaften des Materials. Diamant besteht genau wie Graphit aus reinem Kohlenstoff, unterschiedlich ist nur die Anordnung der Kohlenstoffatome. Nicht nur optisch unterscheiden sich die beiden Materialien, sondern in fast allen ihren Eigenschaften.

Gerade quantenphysikalische Phänomene wie Supraleitung, Ladungsdichtewellen oder besondere magnetische Phasen lassen sich am besten in Materialien untersuchen, deren Kristallgitter möglichst perfekt ist. Deshalb stellen die Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) gezielt solche perfekten her.

Das ist allerdings nicht immer einfach. Denn im Chemielabor können die Forscher häufig nur sogenannte Pulverproben mit der gewünschten Zusammensetzung gewinnen. Sie bestehen aus Millionen Kristallkörnchen, die ungeordnet aufeinandergestapelt sind. Durchleuchtet man solche Pulverproben mit Neutronen oder Röntgenlicht, erfährt man allenfalls etwas über den Mittelwert aller Kristallorientierungen. Bei Quantenphänomenen in Festkörpern kommt es aber darauf an, wie sich die Kristallstruktur zur Richtung eines Magnetfelds oder elektrischen Felds verhält. Das lässt sich nur an einem perfekten „Einkristall“ untersuchen.

Dafür stehen am HZB-CoreLab für Quantenmaterialien zwei optische Zonenschmelzöfen bereit. Das Prinzip ist bei beiden das Gleiche: Vier Lampen, die jeweils von elliptisch geschwungenen Hohlspiegeln umgeben sind, fokussieren ihr Licht auf den gemeinsamen Brennpunkt. Der Halogenlampen-Ofen schafft Temperaturen von 2000 Grad Celsius, der zweite Ofen, der Xenonlampen verwendet, sogar 3000 Grad Celsius. Zum Vergleich: Flüssige Lava, die aus einem Vulkan geschleudert wird, ist zwischen 800 und 1200 Grad Celsius heiß.

Die Pulverprobe wird zu einem etwa zigarettengroßen Stäbchen gepresst und im Ofen frei, ohne Kontakt zu Wänden oder einem Behältnis, aufgehängt. Damit sind Verunreinigungen ausgeschlossen. Unter dem Stäbchen ist ein kleines Kristallkörnchen der Substanz angebracht, der Kristallkeim. Beim Zonenschmelzen bewegt sich die Spiegelhülle relativ zum hängenden Stäbchen: So wandert der Brennpunkt über die Probe, schmilzt nacheinander Zone um Zone. Dabei sind Geduld und Fingerspitzengefühl entscheidend. Nicht nur das Tempo der Abkühlung, auch der Druck, die Gasatmosphäre und andere Parameter spielen eine Rolle, um aus der Schmelze einen größeren Einkristall zu ziehen.

Im Prinzip lassen sich sogar Rubine und andere Edelsteine mit dem Zonenschmelzofen züchten. Aber das interessiert die Gruppe um die Physikerin Bella Lake überhaupt nicht. Viel spannender finden die Forscher exotische Verbindungen, die in der Natur gar nicht vorkommen. Äußerlich wirken sie ganz unscheinbar, aber ihre Eigenschaften haben es in sich: Mit spektakulären Quanteneffekten wie magnetischen Monopolen oder besonderen Zuständen ermöglichen sie einen tiefen Blick in das Gesetzbuch der Natur.

Bild: M.Setzpfandt / HZB

Antonia Rötger/HZB

Franziska Roeder

Multimedia Editor
Helmholtz-Gemeinschaft