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Helmholtz Perspektiven Mai 2015

20 Helmholtz Perspektiven  Mai – Juni 2015 Forschung ren. Dort liegt die Steuerzentrale, die nicht nur Appetit und Sättigung reguliert, sondern auch viele zelluläre Stoffwechselprozesse. Medikamente, die direkt im Gehirn wirken, bergen allerdings Risiken: Sie können unberechenbare Nebenwirkungen wie Depressionen auslösen. Diabetologen wollen das Gehirn daher mit Hormonen austricksen. „Wir versuchen, dem Gehirn indirekt über die Verwen- dung natürlicher Darmhormone mitzuteilen, wie der Stoffwechsel eingestellt werden soll“, sagt Tschöp. Die in einem Molekül kombinierten Hormone GLP-1, Glucagon und GIP können nicht nur eine vermehrte Insulin-Ausschüttung bewirken, sondern auch den Appetit hemmen und die Fettverbrennung erhöhen. „Diabetes ist die Folge eines Weges, den die Gesellschaft gegangen ist“ Zukünftige Medikamente müssen genau dort wirken, wo der Stoffwechsel gestört ist, ohne woan- ders Schaden anzurichten. Tschöp: „Nur mit maßge- schneiderten Behandlungen für besser verstandene Patientenuntergruppen lassen sich die Volkskrank- heiten Adipositas und Diabetes besiegen.“ Seinem Team ist es gelungen, Darmhormone mit dem weib- lichen Sexualhormon Östrogen zu kombinieren. Bei bestimmten Patienten wirkt sich Östrogen positiv auf den Stoffwechsel aus, es kann aber auch Krebs auslösen. Durch die Kombination mit Darmhormo- nen können die Forscher eventuell Nebenwirkungen umgehen, indem sie einzelne Organe ansteuern wie mit einem Trojanischen Pferd: „Wir haben es in präklinischen Studien geschafft, auf dem Rücken eines Darmhormons ein Östrogen an die Zellen auszuliefern, die etwas mit dem Stoffwechsel zu tun haben, und von den Zellen fern zu halten, in denen es Schaden anrichten würde“, sagt Tschöp. Solche Vorstöße im Kampf gegen Diabetes setzen aber eine bessere Diagnostik voraus. Nur In einer simplen Rechnung erklärt er, warum Vorsorge die wichtigste Waffe im Kampf gegen Di- abetes ist: Die jährlichen Therapiekosten für einen mit Insulin behandelten Patienten liegen bei fast 1700 Euro. Mit rund der Hälfte könne man in dieser Zeit eine ganze Schulklasse über ein Präventions- programm erreichen. Aber sind gesünderes Essen und mehr Bewegung wirklich genug, um die rasante Ausbreitung von Typ-2-Diabetes zu stoppen? Auch Matthias Tschöp ist vom Nutzen der Aufklärung überzeugt. Allein durch einen anderen Lebensstil würde es jedoch zu lange dauern, Diabetes in den Griff zu bekommen. Im schlimmsten Fall ließe sich die Entwicklung gar nicht mehr umkehren. Forscher haben herausgefunden, dass auch die Interaktion von Genen mit der Umwelt unse- re Anfälligkeit für Diabetes beeinflusst. Äußere Faktoren steuern, welche Gene ausgelesen werden. Je nachdem, welche Proteine der Körper dadurch mehr und weniger produziert, kann dies dazu füh- ren, dass Menschen stärker zu Diabetes neigen. Zu den sogenannten epigenetischen Umwelt- einflüssen zählt Tschöp vor allem, was wir essen und wie wir uns bewegen. Besonders bedrohlich daran ist, dass diese Mechanismen teilweise so programmiert werden, dass sie erst in der nächsten Generation wirken. Mit anderen Worten: Wenn wir heute nur Hamburger essen und den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, kann das dazu führen, dass unsere Nachfahren an Diabetes erkranken. Schadstoffe in Luft und Wasser oder psychische Faktoren wie Stress können ebenfalls Einfluss haben – wenn auch in geringerem Umfang. Tschöp betont, dass es für die Diabetesforschung äußerst wichtig sei, diese epigenetischen Mechanismen zu verstehen. „Ansonsten entwickeln wir therapeu- tische Konzepte, die für die nächste Generation vielleicht schon gar nicht mehr funktionieren.“ Bei der Behandlung von Diabetes werden sich Ärzte zunehmend auf das Gehirn konzentrie- Früherkennung ist wichtig Carsten Müssig ist stell- vertretender Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie des Universi- tätsklinikums Düsseldorf und leitet das Klinische Studienzentrum des Deut- schen Diabetes-Zentrums. Bild: DDZ me i l e n s t e i n e d e r i n s u l i n - f o r s c h u n g Frederick Banting und Charles Best gelingt die Extraktion von Insulin, 1922 retten sie erstmals einen Diabetiker mit Rinderinsulin 1 9 2 1 1 9 2 3 Beginn der kommerziellen Insulinproduktion 1 9 5 5 Der Biochemiker Frederick Sanger entschlüsselt die Insulinstruktur 1921 1923 Beginn der kommerziellen Insulinproduktion 1955

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