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Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

54 GESPRÄCH MIT DETLEV GANTEN ÜBER SEINE ZEIT ALS VORSITZENDER DER HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT DEUTSCHER FORSCHUNGSZENTREN VON 1997 BIS 2001 Die Helmholtz-Gemeinschaft ist eine ganz andere Einrichtung geworden, auch mit anderem Anspruch an sich selber, als ihre Vorgängerin, die Arbeitsgemeinschaft der Großforschungsein- richtungen. Es wurde in dieser Zeit viel diskutiert über Struktu- ren und Entwicklungen im wiedervereinigten Deutschland als bedeutsamer Wissenschaftsnation. Es war offensichtlich, dass man mehr zusammenarbeiten musste. In der Helmholtz-Gemein- schaft waren die Bedeutung und Rolle der damals 15 großen Zentren gegenüber der zentralen Organisation der Gemeinschaft sowie die Außenvertretung und die gemeinsamen Forschungs- themen wichtige Themen. Das Akademie-Institut in Berlin-Buch war ein großer „Tanker“. Wie haben Sie ihn umstrukturiert? Detlev Ganten Die Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin-Buch waren das wichtigste und größte Biomedizi- nische Zentrum der DDR mit den Zentralinstituten für Krebsfor- schung, für Herz-Kreislauf-Forschung und für Molekularbiologie. Sie waren auch international bekannt und bauten eine bedeu- tende Wissenschaftstradition auf. Mich hat die dort gewonnene Erkenntnis der Bedeutung von Geschichte und Tradition für den realen Erfolg der Wissenschaft stark geprägt. Auch in der DDR- Zeit gab es in Buch ein hohes Geschichtsbewusstsein und berechtigten Stolz auf die deutsche Wissenschaft. Auf dieser Basis ist Buch, glaube ich, ein Erfolg geworden, denn wir haben nicht versucht, westdeutsche Forschungsstandorte zu kopieren, sondern wir haben die exzellente Basis bewusst genutzt, um die Institute weiterzuentwickeln, allerdings mit zum Teil ganz neuen Ideen, wissenschaftlichen Konzepten und Strukturen. Dennoch war der Umbau auch aus verschiedenen Gründen schwierig. Es arbeiteten über 2.000 Menschen in Buch, es waren aber nur 250 Personalstellen für das neue Institut geneh- migt. Ich habe natürlich für mehr Stellen gekämpft, aber das bekamen wir nicht durch, da es unter anderem die politische Vorgabe gab, keine neuen Großforschungsinstitute „alten Stils“, also keine großen „Tanker“ einzurichten. Diese hatten damals nicht den besten Ruf in Deutschland. Auf Empfehlung des Wis- senschaftsrates wurde das MDC nach dem Helmholtz-Schlüssel bundesfinanziert, aber mit einer neuartigen, kleineren, flexible- ren und moderneren Struktur. Buch sollte eine vorbildhafte klini- sche Forschungseinrichtung werden unter Nutzung modernster Methoden der Zellbiologie und der Genomforschung. Mit der Molekularen Medizin folgten wir der Erkenntnis, dass die Grund- moleküle des Lebens, die Gene, ein wichtiges Grundverständ- nis für viele verschiedene Krankheiten, für die Diagnose und Therapie, aber auch für die Bewahrung von Gesundheit und die Prävention ermöglichen. Einer der entscheidenden Punkte für den Erfolg des MDC war, dass wir ein Helmholtz-Zentrum „neuen Stils“ waren, mit flachen Hierarchien, großer Selbst- ständigkeit und Selbstverantwortlichkeit auch der ganz jungen Forscher, keine Bürokratie, eine schlanke Verwaltung, maximale Herr Ganten, bevor Sie Vorsitzender der Helmholtz-Gemein- schaft wurden, haben Sie ein neues Forschungszentrum mitgegründet. Wie kam es dazu? Detlev Ganten Ich war Mitglied im Wissenschaftsrat. Nach der für alle unerwarteten Wiedervereinigung wurde der Wissenschafts- rat 1989 von der Bundesregierung beauftragt, die Institute in der ehemaligen DDR zu begutachten. Mit dem Medizinaus- schuss des Wissenschaftsrates haben wir 1990/91 ein halbes Jahr lang alle DDR-Institute besucht. Es war eine unglaublich emotionale Zeit der nationalen Aufbruchsstimmung und der Neuorientierung in vielerlei Hinsicht. So meinten viele von uns, dass das Forschungssystem in Deutschland an die internatio- nale Entwicklung angepasst werden sollte. Die Zeit der Wieder- vereinigung war eine Gelegenheit, die gesamtdeutsche For- schungslandschaft noch einmal komplett zu überdenken und teilweise zu reorganisieren. Viele von uns waren der Ansicht, wie natürlich auch die DDR-Wissenschaftler, es dürfe nicht alles vom Westen in gleicher Weise in den Osten übertragen werden. Auf meinem Gebiet, der Herz-Kreislauf-Forschung, wie auch in den anderen Fächern war und ist es besonders wichtig, Klinik, klinische Forschung und Grundlagenforschung miteinander zu verbinden. Viele Institute der medizinischen Grundlagenfor- schung leiden darunter, dass es keinen strukturell angelegten Zugang zu den Patienten gibt. Es gab in der Zeit der Wiederver- einigung aber einen engagierten Einsatz – auch der Bundesmi- nisterien –, neue Strukturen zu erproben. Wir haben mit den Mitarbeitern aus dem Bund und den Ländern gemeinsam disku- tiert und neue Konzepte entworfen. Das heutige Max-Delbrück- Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ist ein sol- ches neues Modell für klinische Forschung. Hier bot sich die Chance für eine exzellente klinische Herz-Kreislauf-Forschung, aber auch für Krebs und Hirnerkrankungen. Ich habe mich dann von heute auf morgen entschieden das Angebot anzunehmen und war am 1. September in Berlin-Buch als einer der ersten Gründungsdirektoren in den neuen Bundesländern. Es galt die Aufbruchsstimmung zu nutzen für neue Konzepte der Wissen- schaft. Welche Folgen hatte die Wiedervereinigung für die spätere Helmholtz-Gemeinschaft? Detlev Ganten Die Wiedervereinigung hat viel in Bewegung gesetzt.

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