Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

23 Und doch sollte sie sich in den ersten beiden Jahrzehnten ihres Lebens zu einem jungen Erwachsenen entwickeln, der freilich zahlreiche Adoleszenzkrisen zu durchleiden hatte, ehe er auf einen stabilen Lebenspfad einschwenken konnte. Es lag in der „Natur“ dieser Entwicklung, dass der Teenager dabei bisweilen zu viel wollte, in seinem jugendlichen Überschwang wenig Geduld mit seiner Umwelt an den Tag legte und sich vor allem seiner eigenen Identität unsicher war. Diese Entwicklung kann hier nur in ihren groben Konturen nachgezeichnet werden. Trotz der schwierigen Voraussetzungen startete die Arbeitsge- meinschaft mit einem großen Erfolg: Auf ihr massives Drängen hin erklärte sich Leussink bereit, eine paritätisch aus Vertretern seines Hauses und der AGF besetzte Arbeitsgruppe einzusetzen, die ein „Finanzstatut für rechtlich selbstständige Großfor- schungseinrichtungen, an deren Rechtsträgerschaft die öffentli- che Hand überwiegend beteiligt ist“, erarbeiten sollte. Zwar erfüllten sich nicht alle überschießenden Hoffnungen der AGF- Mitglieder in das 1972 verabschiedete Finanzstatut, aber ceteris paribus stärkte es die Freiräume der Zentren in der Mittelbewirt- schaftung und privilegierte sie gegenüber anderen Forschungs- einrichtungen und insbesondere gegenüber den Hochschulen. Aus der Retrospektive von mehr als vier Jahrzehnten lässt sich das Finanzstatut gar als ein großer juristischer Wurf werten, da es für sehr lange Zeit gültig blieb und erst im Jahre 2013 mit Inkrafttreten des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes reformiert und wesentlich erweitert bzw. flexibilisiert wurde. Recht erfolgreich war die AGF auch darin, trotz der anfänglich massiven Vorbehalte im Konzert der etablierten Wissenschafts- organisationen als Dialogpartner auf gleicher Augenhöhe anerkannt und auch vom Bund an der forschungspolitischen Entscheidungsfindung beteiligt zu werden. Hatte Bundes- forschungsminister Gerhard Stoltenberg zu Beginn seiner Amts- zeit 1966 die Präsidenten der sogenannten „Heiligen Allianz“ der vier großen Wissenschaftsorganisationen (DFG, MPG, Wissenschaftsrat und Westdeutsche Rektorenkonferenz, WRK) zu regelmäßigen Beratungen eingeladen, so baute Bundes- forschungsminister Horst Ehmke zu Beginn seiner Amtszeit 1974 diese zu einem Präsidentenkreis aus, in dem er sowie die Staatssekretäre von BMFT und BMBW sich mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen trafen. Für die AGF bedeutete es eine hochwillkommene Bestätigung ihrer Position im bundes- deutschen Forschungs- und Innovationssystem, gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft von Anbeginn in diese erwei- terte Heilige Allianz aufgenommen zu werden. Von dieser günstigen Basis aus investierte sie viel Energie, um gerade auch in bilateralen Verhandlungen mit dem Wissenschaftsrat, der DFG und vor allem auch mit der WRK als Vertreterin der Hochschulen ihre Position als Wissenschaftsorganisation zu stabilisieren und an übergeordneten Programmen wie etwa dem Heisenberg-Programm zur wissenschaftlichen Nachwuchs- förderung zu partizipieren. Die Grenzen ihrer Akzeptanz als Wissenschaftsorganisationen zeigte den Großforschungseinrichtungen dagegen die DFG auf. Von der AGF mit Nachdruck ermuntert, stellten die Groß- forschungseinrichtungen jeweils Aufnahmeanträge in die DFG. Mitte des Jahres 1974 war erst die Hälfte der Zentren aufgenom- men; die Anträge der eher anwendungsorientierten Zentren wur- den dagegen reihenweise abgelehnt. Obwohl sich Forschungs- staatssekretär Hans-Hilger Haunschild persönlich bei DFG-Präsident Heinz Maier-Leibnitz für die Zentren verwandte, lehnte die DFG im darauffolgenden Jahr erneut die Anträge von DKFZ, GKSS, GMD und GSI ab. Es nimmt daher nicht wunder, dass die AGF in internen Zwi- schenbilanzen gegen Ende der 1970er Jahren das ernüchternde Fazit zog, trotz aller erzielten Erfolge in der Verankerung als dritte Säule des Wissenschafts- und Innovationssystems stelle „die AGF nach wie vor auf wissenschaftlich-technischem Gebiet einen Riesen in der Bundesrepublik dar, sie ist aber wissen- schaftspolitisch noch weitgehend ein Zwerg“.46 Ein realistischer Blick auf ihre Ressourcen zeigt freilich, dass sie nur geringe Kapazitäten aufbieten konnte, um sich in der Konkurrenz mit den etablierten großen Wissenschaftsorganisati- onen durchsetzen zu können. Während die Verwaltungen der beiden anderen großen Säulen des nationalen Wissenschafts- und Innovationssystems, die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft, in den frühen 1970er Jahren stürmisch wuchsen und rasch dreistellige Mitarbeiterzahlen erreichten, war die Administration der Arbeitsgemeinschaft gleichsam nicht existent.48 Der nebenamtlich agierende Präsident war allein auf sich gestellt. Horst Niemeyer unterbreitete als AGF-Vorsit- zender 1973 erstmals den Vorschlag, in den Büros des neu ent- stehenden Wissenschaftszentrums in Bonn Büros für eine Geschäftsstelle anzumieten. Ein hauptamtlicher Geschäftsführer sollte den Vorsitzenden unterstützen und für Kontinuität in Verwaltungsprozessen und Aktenführung sorgen. Die neue Geschäftsstelle sollte über einen größenabhängigen Umlage- schlüssel von den Mitgliedseinrichtungen getragen werden. Im BMFT hielt man diese Idee „für baren Unsinn“, und auch das Bundesfinanzministerium sperrte sich zunächst.47 Als die Wider- stände überwunden waren und Geschäftsführer Horst Zajonc im März 1976 seinen Dienst antreten konnte, agierte er aber lange Jahre allein auf weiter Flur. Erst Gisbert Freiherr zu Putlitz gelang es, als AGF-Vorsitzender ab 1981/82 neben einem Sekretariat auch eine Struktur mit Referaten aufzubauen. Gleich- wohl, die Geschäftsstelle der AGF blieb bis zum Ende der 1980er Jahre mit nur einer guten Handvoll von Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern eine überaus schlank aufgestellte Administration. Anlass zu Optimismus gab, dass sich die Interessen der Arbeits- gemeinschaft und des Bundesforschungsministeriums überla- gerten. Der Wissenschaftsrat hatte bereits Mitte der 1970er Jahre darauf hingewiesen, dass sich die Großforschung zu einem langfristig stabilen Element der Forschungslandschaft entwickelt

Seitenübersicht